Düsseldorf/Berlin (epd). Beschäftigte und Arbeitgeber vertreten gegensätzliche Einschätzungen zum aktuellen Angebot flächendeckender Corona-Schnelltests in den Betrieben. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung beklagte am Dienstag in Düsseldorf, trotz eindringlicher Appelle aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften laufe das Testprogramm bisher nur schleppend an. Nur ein knappes Viertel (23 Prozent) der in Präsenz Beschäftigten bekomme einer Befragung zufolge von ihren Arbeitgebern mindestens einmal wöchentlich einen kostenlosen Schnelltest angeboten. Demgegenüber berichtete die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin, zwischen 80 und 90 Prozent der Unternehmen testeten oder bereiteten den Teststart "unmittelbar vor".
Laut der Online-Erhebung der Böckler-Stiftung berichteten 23 Prozent der befragten Arbeitnehmer, dass alle Präsenzbeschäftigten im Betrieb mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen könnten. Für weitere sechs Prozent würden Schnelltests zwar schon angeboten, jedoch noch nicht im vorgesehenen Umfang. Weitere 17 Prozent der Beschäftigten gaben an, dass der Arbeitgeber die Einführung bereits angekündigt, aber noch nicht umgesetzt habe, erklärte die Hans-Böckler-Stiftung. Für eine Mehrheit von 54 Prozent der Arbeitnehmer gebe es jedoch weder betriebliche Schnelltests noch seien diese angekündigt.
Für die Analyse hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Böckler-Stiftung nach eigenen Angaben zwischen dem 15. und 31. März 2.832 Datensätze ausgewertet, die im Rahmen einer kontinuierlichen Online-Erhebung erhoben werden. Nicht berücksichtigt worden seien Beschäftigte, für die Corona-Schnelltests im Betrieb etwa aufgrund von Homeoffice nicht relevant seien. Die Umfrage sei nicht repräsentativ, erlaube aber aufgrund der hohen Fallzahlen "detaillierte Einblicke" in die Arbeitsbedingungen in Deutschland, hieß es.
Die WSI-Expertin Elke Ehlers sprach von einer "enttäuschend geringen Umsetzungsquote". Eine verbindliche Regulierung für "konsequente und rasche Einführung" von betrieblichen Schnelltests sei notwendig.
Die Arbeitgeberverbände betonten, das freiwillige Engagement in Unternehmen zeige, was die Wirtschaft in kurzer Zeit auf die Beine stellen könne - "ohne Bürokratie und gesetzliche Regulierung". Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag befragte als eine Grundlage für die Einschätzung vom 17. bis 19. März 8.000 Betriebe. Danach folgten unter anderem weitere Umfragen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks bei 1.662 Mitgliedsbetrieben, des BDA bei 376 Experten aus den Mitgliedsverbänden und des Bundesverbands der Deutschen Industrie bei 240 Hauptgeschäftsführern.
Nicht nur größere Unternehmen, auch die kleinen und mittleren Betriebe seien dem Aufruf der Verbände gefolgt, hieß es. Der BDA hob unter anderem einen "umfassenden Einsatz von Selbsttests" sowie "Vertrauen in die Eigenverantwortung der Beschäftigten" hervor. Als Herausforderungen nannten die Arbeitgeber Lieferschwierigkeiten und Beschaffungsprobleme, die aufwendige Organisation der Test in Betrieben und eine zögerliche Annahme des Testangebots.
Bund und Länder hatten in ihrem Beschluss nach den Corona-Beratungen vom 22. März offengelassen, ob sie über eine Selbstverpflichtung hinaus gegebenenfalls die Arbeitsschutzverordnung ändern. Darüber soll auf Grundlage eines ersten Umsetzungsberichts der Wirtschaftsverbände zu den Schnelltests sowie eines eigenen Monitorings der Bundesregierung entschieden werden. Ergebnisse sollen laut Bundesarbeitministerium zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz vorliegen. Diese ist derzeit für den 12. April geplant.