Berlin (epd). Geimpfte sollen nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bald Freiheiten zurückbekommen. "Wer vollständig geimpft wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde", sagte Spahn der "Bild am Sonntag". Geimpfte könnten dann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur. Zudem müssten vollständig Geimpfte nicht mehr in Quarantäne. Unterstützung für den Vorstoß kommt unter anderem vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Ankündigung Spahns indes als zu vage.
Der Gesundheitsminister erklärte, wenn die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen sei und weitere auf Schnelltests beruhende Öffnungsschritte wie beim Einzelhandel umgesetzt würden, komme diese Grundsatzentscheidung zum Tragen. Grundlage für diese Ankündigung ist laut der Zeitung eine Auswertung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse durch das Robert Koch-Institut (RKI).
In einem RKI-Bericht an das Bundesgesundheitsministerium heißt es laut "Bild am Sonntag": "Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen."
Der Bericht wurde am Samstag an die Bundesländer verschickt, wie die Zeitung meldete. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte demnach das RKI um eine Analyse gebeten, ob und wann die Einbeziehung Geimpfter in Testkonzepte "möglicherweise obsolet" wird. Spahn will die Test- und Quarantänebefreiung für Geimpfte zügig in den nächsten Wochen umsetzen. "Wir werden diese Erkenntnisse nun zeitnah in Gesprächen mit den Ländern in die Praxis bringen", sagte der Minister.
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach erklärte, er unterstütze diesen Vorschlag, weil sich gezeigt habe, "dass Geimpfte sich nur noch selten anstecken und sie wahrscheinlich bei Ansteckung nicht mehr ansteckend für andere sind". Allerdings sollten die Freiheiten jeweils nur nach der zweiten Impfung gewährt werden, sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch befürwortet die Pläne des Gesundheitsministers. "Natürlich müssen, wenn die wissenschaftlichen Daten die Unbedenklichkeit bestätigen, Geimpfte alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auf positive Resonanz stößt das Vorhaben zudem beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. "Wenn sichergestellt ist, dass bereits geimpfte Personen nicht mehr ansteckend sind, sollten sie auch von den notwendigen Maßnahmen ausgenommen werden und beispielsweise keinen verpflichtenden Test mehr vor Einkauf oder Restaurantbesuch machen müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Funke-Zeitungen. "Dies würde zudem den Anreiz, sich impfen zu lassen, noch einmal deutlich erhöhen."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält die Ankündigung Spahns für zu unverbindlich. Bei welchem Inzidenzwert die dritte Welle vorbei sei, sage der Minister nicht, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Auch sei unklar, wie sich Geimpfte künftig ausweisen sollen, ein europäischer Nachweis sei immer noch in weiter Ferne. Selbst für die zu 95 Prozent geimpften 900.000 Pflegeheimbewohner werde der Shutdown also weitergehen, sagte Brysch: "Die österliche Botschaft des Bundesgesundheitsministers von mehr Freiheiten löst sich bei genauem Hinschauen schnell in Rauch auf."
epd fu