Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat eine unabhängige Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche angemahnt. "Ich hoffe sehr, dass die unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche mit ganzer Energie und mit uneingeschränktem kirchlichem Aufklärungswillen in allen deutschen Bistümern weiter vorangetrieben wird", sagte Rörig am Donnerstag nach der Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen in Berlin. Rörig nannte das Ausmaß des Missbrauchs und der Pflichtverletzungen kirchlicher Verantwortungsträger im Erzbistum Köln erschreckend.
Rörig erklärte: "Wenn sich das mächtige Erzbistum Köln nun an die Spitze der unabhängigen Aufarbeitung setzt und auch die Betroffenen uneingeschränkt unterstützt, würde ich das sehr begrüßen." Der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki hatte kürzlich die Gemeinsame Erklärung des Missbrauchsbeauftragten und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz unterzeichnet und sich damit zu einheitlichen Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung bekannt. Unter anderem bedeutet dies, dass eine Aufarbeitungskommission eingesetzt wird.
Damit habe Kardinal Woelki die Steuerung der Aufarbeitung im Erzbistum Köln aus seinen Händen gegeben und der künftigen Aufarbeitungskommission übertragen, ohne aus der Verantwortung entlassen zu sein, betonte Rörig. Wichtig sei, dass diese Aufarbeitungskommission unter Beteiligung von Betroffenen und weiteren Experten und Expertinnen in Köln jetzt zügig gebildet und schnellstmöglich ihre Arbeit aufnehmen werde.
Erst durch die jetzt anstehende unabhängige Aufarbeitung gerieten auch endlich die Betroffenen stärker in den Fokus, die sexuelle Gewalt in ihrer Kindheit erlitten hätten. "Hat ein anwaltliches Gutachten eher die Fragen der Pflichtverletzungen und Schuld von Verantwortlichen im Blick, so wird durch die unabhängige Aufarbeitung auch das Leid der Betroffenen betrachtet und auch geklärt, warum Kirchenleute so rigoros und herzlos mit kindlichen Opfern umgegangen sind", sagte Rörig.
Der Kölner Rechtsanwalt Björn Gercke hatte zuvor ein Rechtsgutachten vorgestellt, dass den Umgang der Bistumsleitung mit Missbrausfällen zwischen 1975 und 2018 untersucht. Die Gutachter zählten zahlreiche Pflichtverletzungen und belasten mehrere Bischöfe schwer, darunter den verstorbenen Amtsvorgänger Woelkis, Kardinal Joachim Meisner, den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und den heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße.