Berlin (epd). Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert von Kirchen mehr Auseinandersetzung mit antisemitischen Vorurteilen in den eigenen Reihen. Die Aussage "Antisemitismus ist Sünde" sei noch nicht so lange en vogue in christlichen Kirchen, sagte Schuster in einem Doppelinterview mit dem evangelischen Bischof Christian Stäblein in der Berliner Wochenzeitung "Die Kirche" (Ausgabe 7. März): "Die Zeit, in der Antisemitismus von Kanzeln gepredigt wurde, gab es nicht nur im Mittelalter."
Was Pfarrer vor 90 oder 70 Jahren von der Kanzel gepredigt hätten, habe die Urgroßmutter der Großmutter und diese ihren Kindern weitererzählt. "Und vor allem im ländlich geprägten Raum galt als richtig, was der Pfarrer sagte", sagte Schuster. "Antijüdische Vorurteile wurden über Generationen weitervererbt. Und das ist heute nicht vorbei."
Er denke, es tue der deutschen Gesellschaft und konkret den Kirchen gut, sich dieses Negativ-Kapitels in ihrer Vergangenheit in ihrem aktuellen Handeln zu erinnern. Das A und O sei heute, sich auf Augenhöhe zu begegnen, so dass beide Seiten die Religion des anderen respektieren, wissend, dass es da einen Unterschied gebe: "Dieser liegt nicht in der Ausprägung der Religionen, sondern in der einzigen Frage, inwieweit Jesus Christus der Erlöser war oder nicht."
Auch Bischof Stäblein betonte, die Kirchen hätten eine lange und immer wieder aufzuarbeitende antijüdische Geschichte. "Und dazu gehört, dass sich christliche Identität über zwei Jahrtausende dadurch konstituierte, dass sie das jüdische Gegenüber abwertete", sagte Stäblein: "Das begegnet uns bis heute."