Passau (epd). Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, beklagt, dass Judenhass in Deutschland "längst schon wieder salonfähig" sei. "Die Gesellschaft befasst sich mit dem Thema, nicht zuletzt an den Stammtischen, aber oft sehr negativ", sagte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Das gelte für junge Menschen, aber auch für ältere. Oft spielten dabei soziale und auch traditionelle Medien "eine üble Rolle", erklärte Knobloch aus Anlass des Holocaust-Gedenktags am Mittwoch.
"Die Querdenker-Demonstrationen etwa bilden einen Ort, wo man den Eindruck gewinnt, die Juden würden da schon fast wieder als vogelfrei angesehen", sagte sie. Um Antisemitismus zu bekämpfen, sei die volle Unterstützung von Politik und Justiz nötig. Positiv merkte Knobloch an, dass ihren Eindrücken nach das Bewusstsein junger Menschen gewachsen sei. "Bis vor 20 oder 30 Jahren ist über diese Nazi-Zeit offenbar in den Bildungseinrichtungen wenig gesprochen worden. Aber das hat sich geändert", sagt sie. Heute seien die jungen Menschen interessierter an der Vergangenheit. Da sei in den Schulen viel geschehen.
Knobloch sowie die Publizistin Marina Weisband sollen am Mittwoch zum Holocaust-Gedenken im Bundestag sprechen. Die 88-jährige Knobloch überlebte als Kind die Gräuel der Nationalsozialisten in einem Versteck. Die 33 Jahre alte, gebürtige Ukrainerin, Aktivistin und Ex-Politikerin Weisband spricht als Vertreterin dritten jüdischen Generation nach der Schoah.
Im Jahr 1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog (1934-2017) den 27. Januar, das Datum der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz, zum nationalen Gedenktag erklärt. In diesem Jahr steht die Gedenkstunde im Zeichen des Jubiläumsjahrs "321-2021: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".
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