Frankfurt a.M. (epd). Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Strafverteidiger des Hauptangeklagten Stephan E., Mustafa Kaplan, auf Totschlag plädiert. Die Voraussetzungen Arglosigkeit und niedere Beweggründe für eine Verurteilung wegen Mordes lägen nicht vor, sagte der Kölner Rechtsanwalt am Donnerstag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Lübcke sei in der Tatnacht zwar wehrlos, aber nicht arglos gewesen, denn Stephan E. und Markus H. hätten den Regierungspräsidenten feindselig angesprochen und E. habe die Pistole im Anschlag gehalten.
Niedere Beweggründe lägen auch nicht vor, denn Stephan E. habe keine Vorteile aus der Tat für sich erlangen wollen, begründete Kaplan. Die Tötung von Lübcke sei für E. ein politisches Ziel gewesen: E. sei vom Irrglauben geleitet gewesen, eine Tat für die Allgemeinheit zu tun. Er habe in einer Blase mit Menschen gelebt, die so dachten wie er, in der es nicht ungewöhnlich gewesen sei, gegen Ausländer und Flüchtlinge zu hetzen. E. sei davon ausgegangen, im Allgemeininteresse zu handeln.
Stephan E. und Markus H. hätten Lübcke gezielt als Opfer ausgewählt, weil sie wegen der Aussagen Lübckes auf der Bürgerversammlung in Lohfelden im Oktober 2015 dachten, Lübcke bevorzuge Flüchtlinge und benachteilige Deutsche. E. habe danach jahrelang gelesen, wie Lübcke im Internet angegriffen und für Kriminalität durch Ausländer verantwortlich gemacht wurde. Außerdem habe E. immer wieder Hinrichtungsvideos unschuldiger Zivilisten durch islamistische Terroristen angesehen. Insofern hätten E. keine niederen Beweggründe geleitet.
Kaplan bezeichnete außerdem Markus H. als Mittäter. H. sei selbst nach Aussage von Oberstaatsanwalt Dieter Killmer in die Tatplanung eingeweiht gewesen und habe sie unterstützt - "mehr Mittäterschaft geht nicht".
Die Bundesanwaltschaft wirft Stephan E. Mord an Walter Lübcke in der Nacht vom 1. auf 2. Juni 2019 und versuchten Mord an dem Asylbewerber Ahmed I. am 6. Januar 2016 vor. Markus H. wird Beihilfe zum Mord an Lübcke vorgeworfen.