Hamburg (epd). Nach Einschätzung der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, sind durch die Corona-Pandemie andere Gesundheitsfragen gesellschaftlich zum Teil in den Hintergrund getreten. "Das liegt daran, dass das Virus eine zentrale Institution unserer gesellschaftlichen Versorgung bedroht", sagte die Münchener Medizinethikerin der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). "Wenn die Intensivstationen überfüllt sind und das Gesundheitssystem überlastet ist, dann betrifft das die gesamte Bevölkerung."
Covid-19-Patienten hätten keinen ethischen Sonderstatus, betonte Buyx. "Da hat man sicher während der Pandemie - anders als noch zu Beginn - dazugelernt, wenn man auf der einen Seite Versorgungskapazität zur Verfügung stellen muss für Covid-Kranke, gleichzeitig aber auch die medizinische Betreuung für andere Patienten sichern soll."
Die Krankenhäuser seien am Anschlag. "Es wird nach dem, was ich so mitkriege, sehr sorgfältig darauf geachtet, dass alle Patienten gut behandelt werden, aber es ist eine enorme Belastung", sagte Buyx, die im vergangenen Jahr an die Spitze des Ethikrats gewählt worden war. "Ich bin immer wieder erschüttert, wenn von der Überlastung der Krankenhäuser die Rede ist und viele meinen, diese Überlastung beträfe nur Covid-Patienten. Nach dem Motto: Solange ich kein Corona kriege, interessiert mich das ganze Thema nicht." Einige verstünden nicht, dass das Gesundheitssystem als Ganzes bedroht sei. Wenn es überlastet sei, dann könne es passieren, dass Menschen nicht mehr die Behandlung bekämen, die sie eigentlich bräuchten.