Berlin (epd). Die Hilfsorganisation "HateAid" verzeichnet angesichts einer durch die Corona-Krise zusätzlich gereizten Stimmung im Internet einen Anstieg von digitaler Gewalt gegen Frauen. "Wir stellen fest, dass Aggressionen gerade an dem Teil der Gesellschaft ausgelassen werden, der als schwächer empfunden wird", sagte Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Während es für Deutschland noch keine Studien zu dem Thema gebe, sei für Großbritannien bereits ein Anstieg digitaler Gewalt gegen Frauen wissenschaftlich belegt worden. "HateAid" mit Sitz in Berlin unterstützt Opfer von Gewalt im Internet mit Beratungen und Prozesskostenfinanzierung.
Als begünstigende Faktoren komme in der Corona-Krise hinzu, dass das Aggressionspotenzial größer sei, Opfer und Täter durch die Beschränkungen viel mehr Zeit zu Hause verbrächten und sich der Großteil der Kommunikation ins Internet verlagert habe, erklärte Hodenberg. "Das Internet, das in den letzten Jahren sowieso immer wichtiger wurde, hat einen Schub bekommen und ist jetzt endgültig der wichtigste soziale Raum geworden", sagte sie. "Wir sind fast alle auf das Netz als Kommunikationsmittel angewiesen."
Unter digitaler Gewalt versteht Hodenberg nach eigenen Worten "jede Form von Gewalt, die auf digitalen Geräten stattfindet". Das könnten Hasskommentare in sozialen Netzwerken sein oder das Montieren von Gesichtern in pornografische Inhalte. "In den meisten Fällen fängt es mit einer Beleidigung an und nimmt dann extremere Formen an", erläutert die 38-Jährige.
Hodenberg rät, jede Form von Gewalt im Internet anzuzeigen. Das gelte auch dann, wenn Betroffene sich unsicher seien, ob die Äußerung tatsächlich unter den Straftatbestand der Beleidigung falle. "Es ist besser, lieber einmal mehr anzuzeigen als einmal zu wenig", sagte sie. Ein Anhaltspunkt sei etwa zu überlegen, ob der Kommentar eine überspitzte Äußerung in einer Diskussion sei oder nur das Ziel habe, das Opfer "als Person niederzumachen, herabzuwürdigen oder zu diskriminieren".
Es komme oft vor, dass sowohl Täter als auch Opfer Hasskommentare nicht als Straftat wahrnähmen. "Grenzen, die sich im Analogen längst gesetzt haben und wo klar ist, dass man das nicht macht, sind im Digitalen nicht vorhanden", sagte die "HateAid"-Geschäftsführerin. Sie warnte davor, dass Frauen, die Opfer digitaler Gewalt geworden sind, sich in der Folge langfristig aus dem Diskurs im Internet zurückzögen: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Frauen aus öffentlichen Räumen gedrängt werden."