Frankfurt a.M. (epd). Die staatlichen Hilfspakete zur Abfederung der Pandemie-Folgen haben laut Studien dafür gesorgt, dass trotz zum Teil hoher finanzieller Einbußen die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen der Bürger nicht zugenommen hat. So seien die erzielten Einkommen der Haushalte in der Corona-Krise zwar pro Person und Monat um durchschnittlich 107 Euro gesunken, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln am Donnerstag mitteilte. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie unter Berücksichtigung der staatlichen Transferleistungen habe sich das verfügbare Einkommen aber lediglich um zwölf Euro reduziert. Die Haushalte in den beiden niedrigsten Einkommensbereichen hätten sogar etwas mehr Geld als im Vorjahr gehabt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das ifo Institut in München. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung widerspricht.
19 Prozent der Befragten sagten laut IW-Studie, dass sich ihre finanzielle Situation im Zuge der Corona-Krise etwas verschlechtert hat, weitere fünf Prozent sprachen von einer starken Verschlechterung. Weniger als fünf Prozent nahmen demnach eine finanzielle Verbesserung wahr. Die Erwerbstätigen, die besonders starke Einbußen verzeichneten, seien überproportional stark im unteren Bereich der Einkommen vertreten gewesen.
Durch die Maßnahmen und Hilfsprogramme der Politik, darunter höhere Regelsätze zur Grundsicherung, mehr Unterstützung bei Wohngeld und Kinderzuschlag, zeigten sich aber deutlich geringere Verluste in der Einkommensverteilung, erklärte IW-Direktor Michael Hüther. Auch das Kurzarbeitergeld habe dazu beigetragen, dass sich die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen trotz Pandemie und erstem Lockdown nicht erhöht hat.
Unter Einrechnung aller Maßnahmen hätten die Haushalte im Schnitt nur noch weniger als 0,7 Prozent ihres verfügbaren Haushaltseinkommens pro Kopf verloren. Vor allem die Einkommen der Mitte und des unteren Bereichs seien durch die staatlichen Maßnahmen stabilisiert oder leicht gesteigert worden.
Nach einer gemeinsamen Untersuchung kommen das Münchner ifo Institut und das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu der Erkenntnis, dass durch Corona das Bruttoeinkommen insgesamt um rund drei Prozent gesunken sei. Bei den unteren zehn Prozent der Einkommen betrage der Rückgang sogar 4,3 Prozent. Aufgrund der getroffenen sozialpolitischen Maßnahmen liege die Verringerung jedoch im Durchschnitt nur bei 1,1 Prozent. Dabei beziehen die Ergebnisse den Angaben zufolge die Entwicklungen bis September ein, also vor der starken Zunahme des Infektionsgeschehens seit Oktober 2020.
Zu anderen Resultaten kam dagegen die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. So seien Erwerbspersonen mit vorher niedrigem Einkommen im Verlauf der Pandemie weitaus häufiger von Einbußen betroffen als Menschen mit hohem Einkommen - und sie hätten zudem relativ am stärksten an Einkommen verloren, erklärte die Stiftung in Düsseldorf mit Verweis auf eine bereits im November vorgestellte Befragung der Stiftung.
Derzeit führe das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Stiftung eine Befragung unter Erwerbstätigen zu den Auswirkungen des seit November geltenden "Lockdown light" durch. Die ersten Ergebnisse erhärteten die Einschätzung, dass die Ungleichheit zwischen hohen und niedrigen Einkommen in Deutschland zunehme, sagte die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch.
IW-Direktor Hüther warnte selbst vor einer Überinterpretation der Ergebnisse seines Instituts. Die IW-Studie gehe davon aus, dass jeder Berechtigte die staatlichen Transferleistungen vollständig in Anspruch nehme. Das sei in der Realität aber "nicht immer der Fall".
Für die Studie hatte das IW im August mehr als 1.200 Personen zu ihren Einkommensänderungen durch die Corona-Pandemie befragt. Die Ergebnisse wurden mit Haushaltsbefragungsdaten des sozio-oekonomischen Panels kombiniert.
Mit Blick auf das kommende Jahr und den mittlerweile entwickelten Impfstoffen gegen Corona äußerte der IW-Direktor die Hoffnung, dass eine "schnelle Gesundung des Arbeitsmarktes" und eine Stabilisierung der Einkommen möglich sei. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte müsse im Zuge der wirtschaftlichen Konsolidierung wieder zurückgefahren werden. Bei dem Weg aus der Krise seien Steuererhöhungen aber "kontraproduktiv", sagte Hüther.
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