Wer sich für den Ursprung des Weihnachtsfestes interessiert, muss sich auf Spurensuche mehr als 1.600 Jahre in die Vergangenheit begeben. In der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts hatte die Invasion der Hunnen nach Europa den Beginn der sogenannten Völkerwanderung ausgelöst. Das Römische Weltreich bekam zunehmend Mühe, seine Grenzen zu verteidigen, und unter den Bürgern des Imperiums nahm die Zahl der Christen immer weiter zu. Im Jahr 380 wurde ihr Glaube zur Staatsreligion. Ungefähr zur selben Zeit verbreitete sich die Idee, am 25. Dezember die Geburt Jesu zu feiern.
"Als Fest setzt sich Weihnachten nach dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 durch", fasst der Mainzer Kirchenhistoriker Ulrich Volp den aktuellen Forschungsstand zusammen. "Das Datum war da aber schon in der Welt." Die früheste Quelle, die Weihnachtsfeiern Ende Dezember belegen, stamme aus dem Jahr 336. In dieser Zeit formierte sich in langjährigen Debatten gerade der verbindliche Glaubenskanon der Christenheit. Um die angestrebte Einheit der Gläubigen zu stärken, habe die frühe Kirche in den Jahren nach dem Konzil eine einheitliche Liturgie für das gesamte Römische Imperium angestrebt.
"Das Glaubensbekenntnis sollte in die Herzen und Köpfe der Gläubigen", erklärt der Mainzer Theologe. "Das geschah durch Liturgie und Feiern." Für die zentralen Glaubensaussagen sollte es nun jeweils ein eigenes Fest geben. Dabei sei es den frühen Christen und ihrer Kirche nicht um historische Genauigkeit im modernen Sinne gegangen. "In der Antike hatte man ein anderes Verständnis von Historie und Zeit", sagt Volp.
Selbst das Jahr ist ein Rätsel
Dafür, dass die moderne Menschheit immerhin ihre Zeitrechnung mit der Geburt Jesu beginnen lässt, ist erstaunlich wenig darüber bekannt, wann sie tatsächlich stattgefunden hat. Zum Tag der Geburt fehlen Quellen ganz, selbst das Jahr bleibt ein Rätsel. Zwar erwähnt die biblische Weihnachtsgeschichte den ab 6 nach Christus amtierenden römischen Statthalter von Syrien, Quirinius, in dessen Amtszeit eine Volkszählung Maria und Josef nach Bethlehem geführt haben soll. Aber die Bibel erwähnt auch den König Herodes. Dessen Existenz ist ebenfalls historisch belegt, aber er starb bereits 4 vor Christus - ein Dilemma, für das es keine gute Erklärung gibt.
Bei der Einführung des julianischen Kalenders im Jahr 45 vor Christus fiel der 25. Dezember auf den Tag der Wintersonnenwende. An diesem Datum etablierte sich im späten Römischen Reich bereits der Feiertag des unbesiegbaren Sonnengottes "Sol Invictus". Daraus abzuleiten, das Christentum habe lediglich einen heidnischen Feiertag übernommen, ist aber wohl zumindest eine stark überzogene Vereinfachung. Schon vor rund 20 Jahren hatte der Kirchenhistoriker Martin Wallraff sich intensiv mit dem Verhältnis von Christentum und spätantiker Sonnenverehrung befasst und seine Erkenntnisse in der Abhandlung "Christus versus Sol" zusammengefasst.
Ohne den damaligen Sonnenkult wäre Weihnachten wohl nicht auf die Zeit der Wintersonnenwende gelegt worden, vermutet Wallraff. Doch das christliche Weihnachten sei keineswegs als einseitige Reaktion auf ältere heidnische Traditionen zu verstehen, lautete seine Kernthese: "Vielmehr handelt es sich offenbar um parallele Erscheinungen, gewissermaßen unterschiedliche Ausflüsse der gleichen Strömung des Zeitgeistes." Dabei gab es in der späten Antike durchaus auch eine aussichtsreiche Alternative für den Weihnachtstag.
Die Welt "in einer gewissen Balance"
Denn bereits vor der Einführung von Weihnachten hatten Christen die Menschwerdung Gottes am Epiphanias-Tag (6. Januar) gefeiert. Von dieser Tradition rückten alle Kirchen später ab - mit Ausnahme von Armenien, der weltweit ältesten christlichen Nation. "Wir feiern am 6. Januar Taufe und Geburt Jesu", sagt Sayad Boyacian von der Armenischen Kirche in Deutschland.
Bis sich der Termin 25. Dezember überall sonst durchgesetzt hatte, vergingen noch Jahrhunderte. Für die Länder des heutigen Deutschlands etwa wurden die Weihnachtsfeiertage erst auf der Mainzer Synode 813 verbindlich festgelegt. Mittlerweile ist mit dem 24. Dezember der Vorabend zum Höhepunkt des Festes geworden. Dass orientalische und ein Teil der orthodoxen Christen Weihnachten erst Anfang des Jahres am 7. Januar feiern, hat hingegen ganz andere Gründe - nämlich die verschiedenen Kirchenkalender.
Bei der Wahl des Weihnachtsdatums im vierten Jahrhundert habe wohl auch eine Rolle gespielt, dass sich die Welt zur Zeit der Wintersonnenwende am 25. Dezember "in einer gewissen Balance" befindet, ist der Mainzer Kirchenhistoriker Volp überzeugt. Und in der Jungfrauengeburt, die der Welt ein neues Licht in die Dunkelheit bringe, hätten die Kirchenväter auch Parallelen zur Jungfräulichkeit der von Gott erschaffenen Welt aus der Schöpfungsgeschichte gesehen: "Man fand einfach, der 25. Dezember sei angemessen."