Die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold ist überwältigt. Noch nie hat es in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eine Liturgie für einen Gottesdienst zu Hause gegeben. Die Umstände der Corona-Pandemie erzwingen mehr Abstand, weniger Kontakte - und die Kirchenmitglieder nehmen die Idee eines alternativen Gottesdienstes zu Hause an: Das gedruckte nachtblaue Gottesdienstheft findet reißenden Absatz. Schon 120.000 Exemplare sind bestellt.
Dazu kommen schon zu Beginn der Adventszeit 38.000 Bestellungen für eine Grußkarte von Gemeinden an ihre Mitglieder mit einem Miniaturbäumchen und rund 8.000 Karten von Gemeinden an Jugendliche. Das sind aber nicht die einzigen Ideen, die ein Projektteam um Arnold gesammelt hat. Im Internet bieten sie für Kirchengemeinden und auch für Interessierte umsetzungsfertige Vorschläge, wie die Weihnachtsbotschaft trotz Corona zu den Menschen gelangen kann.
Zur Andacht mit Laufzettel
"Wir wollen damit die Kirchengemeinden entlasten", erklärt die Prälatin. In diesem Jahr, in dem so viel Organisatorisches anfällt, und in dem Gemeindepfarrer und Kirchengemeinderäte nun seit Monaten im vollen Einsatz sind, sollen sie aus einem Ideenpool schöpfen können. Beispiele sind ein 24-Fragen-Adventskalender für Schüler:innen oder ein besonderes Krippenspiel in Filmclips. "Zug nach Bethlehem" hat die evangelische Kirchengemeinde in Stuttgart-Häslach dieses Projekt genannt und die Stuttgarter Straßenbahnen eingebunden.
Auch Stationengottesdienste kann es geben. Dafür erhalten beispielsweise am Nachmittag des 24. Dezember in einer Kirchengemeinde coronagerecht zusammengestellte Grüppchen von bis zu zehn Personen "Laufzettel". Die führen sie zur Station "Friedenskerze", zur Kurzandacht, zu Gebet und Segen.
Liturgie für zu Hause
"Zurzeit gehen die Gemeinden davon aus, dass sie Weihnachtsgottesdienste feiern können", sagt Gabriele Arnold. Viele Gemeinden planten auch gleich im Freien, etwa auf Fußballplätzen oder an markanten Plätzen in der Stadt. Und was auch immer noch kommt bis Weihnachten, es gibt die "Liturgie für zu Hause" im nachtblauen Heft.
Das Engagement in den Kirchengemeinden sei immens. "Ich spüre gute Laune und viel Energie", sagt die Regionalbischöfin. Auch die Seelsorge etwa in Heimen und Krankenhäusern laufe mit viel Kreativität. Arnold beobachtet, dass viele ältere Menschen trotz Einsamkeit mit den Corona-Einschränkungen besser zurechtkommen als Kinder und junge Menschen, die die gewohnten sozialen Kontakte sehr vermissen. "Manche Gemeinden schicken eine Karte mit Gruß, aber Vieles lässt sich einfach nicht ersetzen, etwa ein Gemeindefrühstück."
Manches ist trotz Corona unaufgebbar. "Für mich gehört dazu, die Weihnachtsgeschichte zu lesen und mein Lieblingslied 'Fröhlich soll mein Herze springen' - denn das Wichtigste an Weihnachten ist, dass das Herz fröhlich sein kann", sagt die Prälatin.
"Weihnachten fällt nicht aus"
Dafür sorgt auch die Evangelische Landeskirche in Baden in ihren Gemeinden. Sie bieten ebenfalls Tipps, wie Advent und Weihnachten unter diesen Umständen gefeiert werden kann. "Die Botschaft, dass Gott unter widrigen Umständen zur Welt kommt und Freude, Trost und Frieden bringt in Gestalt eines wehrlosen Kindes, kommt uns ja ganz nah", erläutert Oberkirchenrat Matthias Kreplin in Karlsruhe die Grundidee.
Es gab eine Webkonferenz, in der Vorschläge erarbeitet wurden für Krippenspiele, für Online-Gottesdienste, für Weihnachten im Stadion, für Kurzgottesdienste bei geöffneten Kirchentüren und für das Feiern zu Hause. Auch in Baden wird es "Krippenspiele unterwegs" geben, Stationenwege entlang der Weihnachtsgeschichte, Weihnachtsgottesdienste an größeren öffentlichen Plätzen unter freiem Himmel oder eine "Nacht der offenen Kirche", je nach dem, was die Kirchengemeinden für geeignet halten.
"Allen Ideen gemeinsam ist das Wissen, dass das Weihnachtsfest 2020 anders wird als alle bisherigen; aber auch das Vertrauen, dass es nicht ausfällt, sondern uns vielleicht gerade in dieser Situation besonders bewegen wird", sagt Oberkirchenrat Kreplin. Oder, um es mit einem britischen Popmusiker zu sagen: "You can't stop Christmas."