"Wir machen das Sterben verhandelbar", sagt die fiktive Dr. Keller vom Ethikrat im Fernsehfilm "Gott" am Montagabend im Ersten. Sie klingt entrüstet ob der Frage, die sie dort mit Experten verhandeln soll: Soll eine Bundesbehörde einem gesunden, alten Mann ein tödlich wirkendes Mittel geben, weil er sterben will? Den Fall hat Autor Ferdinand von Schirach erdacht, die Frage jedoch beschäftigt die Politik - was am Montagabend nach dem Film Anlass für eine weitere Verhandlung in der Talksendung "Hart aber fair" war, mit verhärteten Positionen.
Neun Monate nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe machte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, den Richtern Vorwürfe. Sie hätten Argumente aus einer bestimmten weltanschaulichen Richtung übernommen, sagte der Limburger Bischof und verwies dabei auf Sterbehilfe-Befürworter. "Dass sich das Bundesverfassungsgericht auf die Seite einer weltanschaulichen Gruppe stellt, ist für mich unerhört", sagte er.
Als "nachvollziehbar und richtig" bezeichnete dagegen die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert das Urteil. Die Alternative, den Protagonisten im Film "in ein Leben zu zwingen, in dem er nicht mehr leben möchte, ist nicht die richtige", sagte Schöne-Seifert, die dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben angehört, einer Organisation, die Sterbehilfe befürwortet. Sie forderte die Ärzte auf, ihr Standesrecht zu lockern, um ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung möglich zu machen.
Susanne Johna, Mitglied im Vorstand der Bundesärztekammer, verteidigte die Haltung ihrer Organisation, die bisher das Verbot des assistierten Suizids im ärztlichen Standesrecht aufrechterhalten hat. Gleichzeitig betonte sie, dass es in der Ärzteschaft viele Diskussionen darüber gebe. Die Runde komplettierte Olaf Sander, der seiner kranken Mutter beim Suizid half und seine persönlichen Erfahrungen schilderte.
Bischof Meister: "Ehrliche Debatte" über Sterbehilfe ist überfällig
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die schon zuvor nicht vollständig illegale Hilfe bei der Selbsttötung wieder nahezu uneingeschränkt auch für Sterbehilfeorganisationen möglich. Die Karlsruher Richter kassierten im Februar den Strafrechtsparagrafen 217, der seit 2015 die organisierte - sogenannte geschäftsmäßige - Suizidassistenz unter Strafe stellte. Sie urteilten, dass das Selbstbestimmungsrecht auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Das schließe das Recht ein, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.
Seit dem Urteil gibt es politische Überlegungen für Schutzkonzepte oder Kriterien, um möglichst Suizide psychisch Kranker oder Minderjähriger auszuschließen. Für solche Konzepte warb am Dienstag erneut der hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Er mahnte eine "ehrliche Debatte" über Sterbehilfe an. Eine solche Debatte sei überfällig, die Kirche könne dazu beitragen, diese Debatte anzustoßen und voranzutreiben, sagte der evangelische Theologe am Dienstag in Hannover. "Wir brauchen Schutzkonzepte, in denen die Menschen mit ihrem erklärten Willen zum Suizid begleitet werden und die ihnen helfen können, von ihrem Todeswunsch Abstand zu nehmen", so der evangelische Theologe. Zugleich sollten diese Konzepte aus seiner Sicht aber auch beinhalten, Menschen mit Sterbewunsch gegebenenfalls "in einer angemessenen Form in den Tod zu begleiten".
Zudem wird darum gerungen, inwieweit das Recht auf Suizid auch einen Anspruch gegen den Staat begründet. So schwelt weiter der Konflikt, ob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte tödlich wirkende Medikamente an Sterbewillige abgeben soll.
Diese konkreten politischen Fragen kamen bei "Hart aber fair" kaum auf den Tisch. Das Erste ließ stattdessen die Zuschauer sprechen. Sie konnten nach dem Film abstimmen, ob der sterbewillige Protagonist von der Bundesbehörde das von Sterbehelfern eingesetzte Natrium-Pentobarbital bekommen soll. 70,8 Prozent der Teilnehmer stimmten dafür, 29,2 Prozent dagegen. Laut dem Ersten gaben rund 546.000 Zuschauer ihre Stimme online und per Telefon ab.