Studie: Späterer Renteneintritt verschärft Lage der häuslichen Pflege

Studie: Späterer Renteneintritt verschärft Lage der häuslichen Pflege
Ein steigendes Renteneintrittsalter sorgt für weniger pflegende Angehörige. Zu dem Ergebnis kommt eine DIW-Studie. Um die Situation nicht noch weiter zu verschärfen, brauche es eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Berlin (epd). Ein steigendes gesetzliches Renteneintrittsalter verringert laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) das Angebot häuslicher Pflege durch Angehörige. "Angesichts wachsender Pflegebedarfe und steigendem Renteneintrittsalter muss die Politik die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und informeller Pflege verbessern", heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten DIW-Studie. Zuerst hatten die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch) darüber berichtet.

Die DIW-Ökonomen Björn Fischer und Kai-Uwe Müller haben den Angaben zufolge anhand der aktuellen Daten des Sozio-oekonomischen Panels untersucht, ob und in welchem Umfang die Frühverrentung einen Einfluss auf die häusliche Pflege hat. Demnach blickten sie auf die Altersgrenzen im Rentensystem und die Erhöhung des Eintrittsalters durch die Abschaffung der "Altersrente für Frauen" im Jahr 1999, welche das Renteneintrittsalter für Frauen ab Jahrgang 1952 von 60 auf 63 Jahre stiegen ließ.

Der Studie zufolge kümmern sich in Deutschland rund 4,3 Millionen Menschen um kranke und ältere Angehörige oder Bekannte. "Rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden unter starker Mithilfe von Angehörigen versorgt", erklärte Studienautor Fischer. Zwei Drittel der Pflegenden sind den Angaben zufolge Frauen, überwiegend im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. Männer engagierten sich deutlich weniger in der Pflege, was sich erst bei den über 70-Jährigen ändere.

"Da Pflege in der Regel zeitaufwendig und nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar ist, reduzieren insbesondere Frauen oft ihre Arbeitszeit oder nutzen Frühverrentungsmöglichkeiten", erklärte das DIW. "Damit nehmen sie Einschnitte bei Einkommen und späteren Rentenbezügen in Kauf." Die Untersuchung zeige, dass die mit der Rentenreform einhergehende Anhebung des Rentenalters bei Frauen die Pflegetätigkeit reduziere. So sei in der Gruppe der 60- bis 62-jährigen Frauen ein Rückgang um 30 Prozent zu beobachten.

Projektionen der Branche deuteten darauf hin, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 auf 3,5 Millionen von 2,6 Millionen im Jahr 2013 steigen werde. "Damit dürfte auch die Nachfrage nach informeller Pflege deutlich wachsen", prognostizierte das DIW.

Da viele Angehörige aufgrund der mangelnden Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit einen Zeitkonflikt hätten, müssten sie stärker unterstützt werden. Es müssten bestehende Instrumente verbessert werden, denn ein Verzicht auf eine Erhöhung des Renteneintrittsalter wäre nicht der richtige Weg, forderten die Studienautoren. "Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters kann aus verschiedenen Gesichtspunkten, wie zum Beispiel der Altersabsicherung, von großer Wichtigkeit sein", betonte Fischer.

"Informell Pflegende sollten sich nicht gezwungen sehen, verfrüht aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und entsprechende Einkommenseinbußen hinzunehmen", hieß es. "Mittel- und längerfristige Pflege- und Familienzeiten mit Lohnersatzleistungen würden einen wichtigen Beitrag leisten", sagte Studienautor Müller. "Zudem könnte das Pflegegeld ausgeweitet werden, was pflegende Angehörige zusätzlich entschädigen würde." Derzeit liege es unter den Sachleistungen, die ambulanten Pflegediensten gezahlt werden, hieß es.

Flexiblere Arbeitszeiten und ein erleichtertes Homeoffice könnten sich ebenfalls als sinnvoll erweisen, betonte der Ökonom. Eine bessere Vereinbarkeit könne auch mehr Männer zur Pflege Angehöriger animieren. "Das wäre nicht nur für die geschlechtergerechte Verteilung von Sorgearbeit nötig, sondern auch, um die Nachfrage überhaupt decken zu können."