Wien/Frankfurt a.M. (epd). Die Wiener Theologieprofessoren Ulrich Körtner und Jan-Heiner Tück haben die Kirchen nach dem Terroranschlag in Wien davor gewarnt, bei Betroffenheitsbekundungen stehenzubleiben. Jetzt gelte es vielmehr Allianzen mit reform-orientierten Muslimen zu suchen, forderten sie in einem Gastbeitrag der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" (Dienstag).
Betroffenheitsbezeugungen hätten "etwas Stereotypes an sich" und krankten "an einem gewissen Abnutzungseffekt", so Körtner und Tück. Im christlich-islamischen Dialog sei jetzt ein redlicher Diskurs nötig, der auch von "wechselseitiger Bereitschaft zur Selbstkritik getragen ist". Körtner ist Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Tück ist Leiter des Instituts Systematische Theologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
Wenig hilfreich seien Wortmeldungen von christlicher Seite, die schon den Begriff des politischen Islam für denunziatorisch halten, betonten die Wiener Professoren. "Dabei wären Allianzen nun vornehmlich mit jenen Musliminnen und Muslimen zu suchen, die für einen reformorientierten, liberalen Islam eintreten und dabei auch vor muslimisch motivierter Islamkritik nicht zurückscheuen", so die Theologen: "Für ihren Mut werden manche an Leib und Leben bedroht und benötigen Polizeischutz. Dazu hört man von kirchlicher Seite leider oft wenig."
Es gelte jetzt, die Begriffe klar zu bestimmen. "Politische Religionen" vermischten die säkulare Sphäre mit der geistlichen und instrumentalisierten den Staat für religiöse Zwecke, erklärten Körtner und Tück. Die Trennung von Kirche und Staat in den westlichen Demokratien seien eine moderne Errungenschaft. "Sie musste teilweise gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erstritten werden." Anders sei die Lage im islamischen Raum. Legalistische Formen des politischen Islam "anerkennen die geltenden Gesetze, nutzen aber alle Spielräume, um ihr Ideengut zu verbreiten." Sie gründeten Bildungseinrichtungen und Moscheevereine, um Kinder und Jugendliche zu "indoktrinieren und zu einem schariakonformen Lebensstil anzuleiten".
In Wien sind am 2. November bei einem Terrorangriff unweit der Wiener Hauptsynagoge vier Menschen getötet worden. Der Attentäter wurde von der Polizei erschossen. Weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Österreichs Innenminister Karl Nehammer sprach von einem islamistischen Anschlag.