Leipzig (epd). In Leipzig haben am Samstag Tausende Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen demonstriert und dabei Auflagen missachtet. Die Polizei sprach am Samstagabend von rund 20.000 Teilnehmern, zugelassen waren laut Gerichtsentscheidung angesichts der Corona-Infektionsrisiken bis zu 16.000 Menschen. Die Forschungsgruppe "Durchgezählt" sprach von rund 45.000 Teilnehmern. An dem Aufzug der "Querdenken"-Bewegung beteiligten sich auch Neonazis, Verschwörungsideologen und Hooligans, vereinzelt waren Deutschland- und Reichsflaggen zu sehen.
Wie von der Stadtverwaltung vorausgesehen, reichte der zentrale Augustusplatz für die Masse der Angereisten nicht aus. Der überwiegende Teil der Demonstranten habe sich nicht an die Auflagen von Mindestabstand und Mund-Nasen-Bedeckung gehalten, hieß es bei der Polizei. Weil der Versammlungsleiter die behördlichen Auflagen nicht durchgesetzt habe, wurde die Versammlung von Behördenseite kurz nach 15.30 Uhr für beendet erklärt.
Trotz Auflösung der Demonstration wurde der Aufzug im Anschluss auf dem Innenstadtring fortgesetzt. Demonstranten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie nahmen sich den Platz unter Rufen wie "Frieden, Freiheit, keine Diktatur". Am frühen Nachmittag kam es auch zu Zusammenstößen zwischen Neonazis und Hooligans aufseiten der "Querdenken"-Demonstranten und der Antifa-Szene.
Die Stadtverwaltung hatte die Demonstration am Freitag wegen der erwarteten großen Teilnehmerzahl zunächst auf das Gelände der Neuen Messe am Stadtrand verlegt. Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte einen Eilantrag dagegen zurückgewiesen. Am Samstagmorgen kippte das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen als nächste Instanz jedoch die Verlegung und ließ die Demonstration in der Innenstadt unter Auflagen zu. (AZ: 6 B 368/20)
Die "Querdenker" hatten vorab neben der Demonstration auf dem Augustusplatz einen Aufzug über den Innenstadtring nach dem Vorbild des Massenprotests gegen die DDR-Führung im Herbst 1989 angekündigt. Die sächsische Corona-Verordnung lässt jedoch nur "ortsfeste" Versammlungen zu. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte das Verbot bewegter Aufzüge am Samstagvormittag. (AZ: 6 B 367/20)
Die Berliner Juristin und FDP-Politikerin Karoline Preisler sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande der Demonstration, ihr sei es gerade an diesem Tag wichtig, in Leipzig zu sein, da hier vor 31 Jahren Menschen gegen die DDR-Diktatur auf die Straße gegangen seien. Demonstranten, die behaupteten, heute in einer "Corona-Diktatur" zu leben, "sollen mal bitte mit Leuten sprechen, die vor 31 Jahren hier dabei waren", sagte Preisler, die selbst aus der DDR stammt.
Die Politikerin, die sich im März mit dem Coronavirus infiziert hatte und bis heute an den Folgen leidet, trug ein Schild mit der Aufschrift: "Ich hatte Covid-19 und mache mir Sorgen um Euch."
Die ver.di-Journalistenvereinigung dju kritisierte Behinderungen der Medien bei der Demonstration. "Unsere Befürchtungen, es könne im Rahmen der Demonstrationen erneut zu Anfeindungen und Androhungen von Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten kommen, haben sich leider bewahrheitet", erklärte die dju-Vorsitzende Tina Groll. Auch Behinderungen der Pressearbeit durch die Polizei seien zu verzeichnen.