Düsseldorf/Hannover (epd). Die evangelische Kirche reagiert auf den um zwei Jahre aufgeschobenen Start der Umsatzsteuerpflicht für die Gemeinden mit Erleichterung. Der Steuerreferent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Matthias Schock, erklärte, den verlängerten Übergangszeitraum wolle man nun zur optimalen Vorbereitung auf die Umstellung nutzen. Die neue Frist bis Ende 2022 biete Gelegenheit zum Luftholen und Durchatmen, sagte ein Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Corona-Krise habe die Probleme bei der Umsetzung der Reform erheblich verschärft, durch die Kirchengemeinden künftig etwa für Einnahmen auf Pfarrfesten, Basaren oder Gemeindefahrten Umsatzsteuer entrichten müssen.
Mit dem Ende Juni in Kraft getretenen Corona-Steuerhilfegesetz hatte der Bund die ursprüngliche Frist bis zur zwingenden Anwendung des neuen Rechts von Ende 2020 auf Ende 2022 verlängert. Begründet wurde dies mit vordringlicheren Arbeiten der ebenfalls von der Änderung betroffenen Kommunen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Städte und Gemeinden hatten aber bereits vor Ausbruch der Pandemie wegen der Komplexität der Umstellung auf eine weitere Verschiebung des Inkrafttretens der bereits 2015 beschlossenen Reform gedrängt.
Noch immer gebe es bei der Umsetzung offene Fragen zwischen kirchlichen und staatlichen Stellen, sagte Schock dem epd. Die rheinische Landeskirche nannte in diesem Zusammenhang unter anderem die Besteuerung des Friedhofswesens, der Schulen und das Verfahren zur Steuerbefreiung kultureller Einrichtungen der Kirchen wie Chöre und Büchereien.
Auch bei der Anmeldung kirchlicher Körperschaften bei den Finanzämtern seien noch Details zu klären, erklärte Tobias Gäbel, Projektleiter der westfälischen Landeskirche für die Steuerumstellung. Die gewonnene Zeit könne zum Beispiel genutzt werden, um nach der erfolgten Analyse der bestehenden Einnahmen der Gemeinden auch deren Verträge mit Dritten zu untersuchen, "um weitere Sicherheit bei der steuerlichen Bewertung zu erlangen".
Mit der Gesetzesänderung setzt Deutschland eine EU-Richtlinie zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung um. Bislang wurden Kirchengemeinden nur in seltenen Fällen umsatzsteuerpflichtig. Durch den neuen Paragrafen 2b des Umsatzsteuergesetzes werden sie in Zukunft Unternehmern gleichgestellt. Auf alle Leistungen, die auch ein Unternehmer erbringen könnte - wie etwa Bewirtung auf Festen, Reisen oder Verkauf von Drucksachen - müssen die Gemeinden Steuern zahlen.
Ausnahmen von der Umsatzsteuerpflicht der Kirchen sollen für Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" gelten, zum Beispiel Nutzungsgebühren für Friedhöfe oder Kita-Beiträge. Auch für den Bereich "Vermittlung des christlichen Glaubens" gelten Befreiungsmöglichkeiten, das betrifft etwa Konfirmandenfreizeiten oder den Verkauf von Kerzen für ein Gebet in der Kirche. Für Jugendarbeit oder Kirchenchöre sieht das Umsatzsteuergesetz ebenfalls Befreiungsmöglichkeiten vor.
Experten der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz schätzen, dass ein Viertel aller Gemeinden die "Kleinunternehmergrenze" von 22.000 Euro überschreiten wird und tatsächlich Umsatzsteuer zahlen muss. Da aber alle Umsätze künftig exakt dokumentiert werden müssten, komme auf alle Gemeinden erheblicher Mehraufwand zu, fürchten die Kirchen.