Berlin (epd). In wenigen Monaten soll die erste unabhängige und in deutscher Sprache abgehaltene Imamausbildung in Deutschland starten. Seit Dienstag können sich islamische Theologen, die Imam, Seelsorger oder Gemeindepädagoge werden wollen, beim Islamkolleg Deutschland bewerben, wie der Vorsitzende des Kollegs, Esnaf Begic, in Berlin mitteilte. Das vor rund einem Jahr in Osnabrück gegründete Kolleg soll nach seinen Worten zur Beheimatung der Muslime in Deutschland beitragen. Es richtet sich zunächst vor allem an die vielen kleinen Moscheegemeinden in der Bundesrepublik. Von den großen Verbänden kooperieren zum Start nur zwei.
Der erste Jahrgang des Imamseminars soll nach Angaben des Professors für islamische Theologie an der Universität Osnabrück, Bülent Ucar, im kommenden April mit rund 30 Teilnehmern starten. Die Ausbildung zu Imamen, Seelsorgerinnen oder Gemeindepädagogen steht Männern und Frauen offen. Voraussetzung ist Ucar zufolge ein Bachelor-Abschluss in islamischer Theologie, vorzugsweise bereits in Deutschland erworben.
Wer im Ausland studiert hat, kann sich bewerben, wenn die Deutschkenntnisse ausreichen. Zudem sollen bis zu 20 Prozent der Seminarplätze an Theologen vergeben werden, die bereits als Imam in Deutschland tätig sind. Darüberhinaus soll es am Kolleg Fortbildungen für Imame und muslimische Seelsorger geben.
Das Kolleg, das als wesentliches Projekt zur Ausbildung deutscher Imame gilt, erhält Begic zufolge eine Anschubfinanzierung vom Bundesinnenministerium und vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium. Die Höhe stehe noch nicht genau fest, sagte Begic. Nach seinen Worten soll das Kolleg zwölf Mitarbeiter haben.
Islamische Theologen werden an Universitäten in Deutschland zwar bereits ausgebildet. Was bislang aber fehlt, ist die praktische Ausbildung in Gemeinden ähnlich der Pfarrer-, Priester- oder Rabbinerausbildung. Wegen der Pluralität der muslimischen Verbände und Richtungen galt dies bislang als besondere Herausforderung.
Einige Verbände erkennen die universitäre Ausbildung in Deutschland nicht an. In vielen Gemeinden, unter anderem die des der Türkei nahestehenden Verbandes Ditib, beten daher Imame aus dem Ausland vor. Die Deutsche Islamkonferenz hat sich zum Ziel gesetzt, dass mehr in Deutschland ausgebildete Imame zum Einsatz kommen.
Mit dem Kolleg kooperieren nach Angaben des Vorsitzenden Begic vor allem kleine Gemeinden und Einzelpersonen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören aber auch Verbände, unter anderem der Zentralrat der Muslime und der Zentralrat der Marokkaner als Organisationen, die auch dem Koordinierungsrat der Muslime angehören.
Die weiteren vier im Koordinierungsrat zusammengeschlossenen Verbände fehlen auf der Unterstützerliste, darunter Ditib. Der Verband hatte im Januar eine eigene Akademie in der Eifel zur Ausbildung von Imamen für die Moscheegemeinden in Deutschland gestartet.
Der Kolleg-Vorsitzende Begic wünscht sich weitere Kooperationen nach Start des Kollegs. Ucar sagte, die Unabhängigkeit von ausländischen staatlichen Einflüssen zu sichern und zugleich für Zusammenarbeit offen zu sein, werde ein "Spagat". Er unterstrich aber, dass er eine Ausbildung in Deutschland für unverzichtbar hält, weil sie die hiesige Lebensrealität berücksichtigen und vermitteln könne. Das gelte etwa für den Umgang mit Frauen und für die Sensibilität gegenüber dem Judentum, sagte er.