Chemnitz (epd). Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) halten die deutsche Einheit für vollendet. In einem gemeinsamen Interview mit der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse" (Freitag) sagte Kretschmer: "Wir haben nach 30 Jahren die Einheit Deutschlands erreicht - in den Köpfen und materiell. Wir können uns jetzt gemeinsamen Zukunftsaufgaben widmen". Sein Kollege aus Stuttgart erklärte: "Wir haben kein Ost-West-Thema mehr."
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zeichnet dagegen ein anderes Bild. Demnach halten 64 Prozent der Bürger den Unterschied der Lebensverhältnisse weiter für zu groß, um von vollendeter Einheit zu sprechen. Die Wirtschaftskraft im Osten ist zwar stark gewachsen, liegt dem Bericht zufolge aber trotzdem bei nur knapp 80 Prozent des Westniveaus. Kretschmann hält dem entgegen, dass es nur noch "Regionen mit ihren spezifischen Eigenheiten" gebe. Der Aufholprozess falle "sehr positiv" aus, sagte er der "Freien Presse".
Kretschmer betonte: "Wir leben heute im besten Deutschland, das wir je hatten." Der in Umfragen verbreiteten Ansicht, die meisten Menschen im Osten fühlten sich als "Bürger zweiter Klasse", widerspricht Sachsens Regierungschef: "Dass die Ostdeutschen sich mehrheitlich ungerecht behandelt fühlen, stimmt einfach nicht." Auch das "Gerede von 'Wir sind übernommen worden!'" sei für ihn "dummes Zeug". Kretschmer ist sich sicher: "Ohne die Westdeutschen, die mit angepackt und ihre Expertise eingebracht haben, stünden wir heute viel schlechter da."