Berlin (epd). Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rät den Ostdeutschen, mit mehr Selbstbewusstsein aufzutreten. "Ich finde, sie könnten lauter, kraftvoller und selbstbewusster sein", sagte Ramelow der "Welt" (Freitag) anlässlich des 30. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober. "Wenn ein Wessi einen Raum betritt, beansprucht er den oft automatisch für sich. Ossis sind oft noch kleinlauter."
Ramelow wurde als Westdeutscher im Februar 1990 als Gewerkschafter in den Osten geschickt. Für ihn selbst sei das "vor allem eine Chance" gewesen. "Ich bin ein Übersetzer. Ich habe gelernt, zuzuhören und mich in beiden Welten zu bewegen", sagte der Linken-Politiker. Die Erfahrungen in der Zeit nach der Wende hätten ihn völlig verändert. "Viele Menschen haben sich damals trotz großer Widrigkeiten und Knüppeln zwischen den Beinen selbstständig gemacht", erinnerte sich Ramelow. "Das sind die Heldengeschichten der Wende."
Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten 2014 hätten viele genau beobachtet, ob er "in ideologische Muster verfalle". "Aber meine Lebenszeit ist zu kurz, um mich mit ideologischem Müll rumzuschlagen", sagte Ramelow, der auch die Zusammenarbeit mit den anderen ostdeutschen Ministerpräsidenten in den vergangenen sechs Jahren lobte. "Das Parteibuch hat keine Rolle gespielt. Es ging immer darum, sich über Probleme zu verständigen, wenn die Länder für die Lösung allein zu klein waren."
Als Gedenk- und Feiertag hätte er sich statt des 3. Oktobers den 9. November gewünscht, erklärte Ramelow. "Es gibt keinen ambivalenteren Tag in der deutschen Geschichte." Das Datum 9. November markiert einschneidende Ereignisse der deutschen Geschichte: Den Mauerfall (1989), die Reichspogromnacht (1938), den Hitlerputsch (1923) und die Novemberrevolution (1918).
epd fu