Berlin (epd). Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat angeregt, über Bürgerräte die Bevölkerung stärker in die Politik einzubinden. Die Bindung zwischen Wählern und Gewählten sei schwächer geworden, sagte Schäuble der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag). Auch habe die Kraft der Parteien abgenommen, die für eine stabile repräsentative Demokratie wichtig seien. Bürgerräte könnten ein wichtiger Ansatz zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie sein, erklärte er: als "eine Art Kompromiss zwischen einer reinen parlamentarischen Demokratie und einer mit Plebisziten".
In Bürgerräten sitzen per Los ausgewählte Bürgerinnen und Bürger. Sie sollen sich intensiv mit einem Thema befassen und dabei Zugriff auf Experten haben, die alle auf den gleichen Wissensstand bringen können. Die Ergebnisse sollen dann in einem Bürgergutachten zusammengefasst werden.
Schäuble verwies auf Erfahrungen unter anderem in Irland. Dort hätten Bürgerräte über das Abtreibungsverbot diskutiert, das schließlich per Volksentscheid abgeschafft wurde. In einem Bürgerrat müssten sich anders als in normalen Plebisziten die Teilnehmer "mehrere Wochenenden mit einem Thema befassen und kontrovers diskutieren, bevor sie zu einer Entscheidung kommen - ein solches Votum hat mehr Substanz", sagte der CDU-Politiker.
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland bereits einen "Bürgerrat Demokratie" mit 160 ausgelosten Teilnehmern. Dieser überreichte Schäuble im November einen Katalog mit 22 konkreten Vorschlägen zur Stärkung der Demokratie. Ein neuer Bürgerrat soll laut "Süddeutscher Zeitung" im Januar und Februar 2021 zum Thema "Deutschlands Rolle in der Welt" tagen und im März seine Ergebnisse dem Bundestag vorlegen.
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