Frankfurt a.M. (epd). Jüdische Gemeinden in Deutschland feiern die bevorstehenden Feiertage wegen der Corona-Pandemie kürzer und einfacher als sonst. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland habe besprochen, Maßnahmen im Einklang mit den Corona-Anordnungen zu treffen, sagte das Vorstandsmitglied der Rabbinerkonferenz, Avichai Apel, in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu gehöre die persönliche Voranmeldung, Beschränkung der Teilnehmerzahl mit genügend Abstand der Plätze, Maskenpflicht und der Verzicht auf Gemeindegesang. Kleine Synagogen würden ihre Feiern in größere Räume verlegen.
Das jüdische Neujahrsfest (Rosch Haschana) wird am 19. und 20. September gefeiert, gefolgt vom Versöhnungstag (Jom Kippur) am 28. September. Das Laubhüttenfest (Sukkot) findet vom 3. bis 9. Oktober statt, das Fest Freude an der Tora (Simchat Tora) am 11. Oktober. Die jüdischen Feiertage beginnen jeweils am Abend des Vortages.
Für die 1.000 Plätze in der Westend-Synagoge in Frankfurt am Main seien 300 bis 400 Besucher nach Anmeldung zugelassen, erklärte der Rabbiner Julian-Chaim Soussan. Die Gottesdienste würden gekürzt, insbesondere durch die Streichung von Gebetsteilen und des Gemeindegesangs. Allein der Vorbeter singe, aber von den Betern abgewandt mit Abstand und dem Gesicht zur Wand. So werde die Feier von Rosch Haschana statt fünf nur drei bis vier Stunden dauern. Das Widderhorn (Schofar) werde hinter Schutzglas und nach draußen geblasen.
Am Fest Simchat Tora werde darauf verzichtet, die biblischen Schriftrollen siebenmal durch die Synagoge zu tragen, berühren zu lassen und dazu zu tanzen. Soussan bedauerte, dass die Vorsichtsmaßnahmen die Atmosphäre der Feiern beeinträchtigen. Dennoch hätten die Gemeindemitglieder bisher alle Corona-Anordnungen klaglos akzeptiert.
An den kommenden Feiertagen gingen die Gläubigen in sich und überlegten, was sie in der Vergangenheit falsch gemacht haben und in Zukunft ändern wollen, erklärte der Rabbiner. Er werde in diesem Zusammenhang auch über gesellschaftliche Verfehlungen und Versäumnisse auch im Blick auf die Corona-Pandemie sprechen. Ein weiteres Thema werde das Flüchtlingselend in Griechenland sein: "Warum schauen wir weg, wenn es anderen schlechtgeht?", fragte er. "Wir müssen auch nach Lesbos und Moria sehen und uns für alle Menschen in Not einsetzen."
Angesichts dieser Krisen werde die Vergänglichkeit des Lebens bewusst, sagte Soussan weiter. Die Feiertage gäben Raum, Dankbarkeit für das Leben auszusprechen. Dies gelte auch angesichts antisemitischer Anschläge wie in Halle an Jom Kippur im Oktober 2019. Holocaustüberlebende in Frankfurt hätten damals Angst gehabt und gefragt, ob sie aus Deutschland wegziehen müssten. "Ich habe Solidarität gespürt, als sich spontan eine Mahnwache vor der Westend-Synagoge versammelte", sagte der Rabbiner. "Aber Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus haben viele Gemeindemitglieder über, wenn kein konkretes Handeln folgt."