Berlin (epd). Der Bundestag hat mit den Beratungen über ein Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie begonnen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Donnerstag zum Auftakt der Debatte in Berlin, die Ausbeutung von Arbeitskräften mitten in Deutschland sei "eine Schande für unser Land, und wir werden damit aufräumen". Die Corona-Krise habe die schon lange bestehenden Missstände offengelegt. In großen Fleischfabriken hatten sich aufgrund mangelnder Hygiene und Abstände Tausende von Arbeitern mit dem Virus infiziert. In der Folge kam es zu zusätzlichen regionalen Lockdowns.
Heils Entwurf sieht vor, dass die Konzerne in ihrem Kerngeschäft, also der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung, ab 2021 keine Werkvertrags- und Leiharbeiter mehr beschäftigen dürfen. Die Arbeitszeit muss elektronisch erfasst werden, um die Umgehung von Mindestlöhnen zu verhindern. Außerdem sollen der Arbeitsschutz und die Unterkünfte der aus mittel- osteuropäischen Ländern stammenden Arbeiter stärker kontrolliert werden.
Mit Ausnahme der AfD unterstützte die Opposition das Gesetz, verlangte aber Änderungen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, bemängelte, Kontrollen von mindestens fünf Prozent der Betriebe pro Jahr ab 2026 reichten keinesfalls aus, um die "skrupellosen Machenschaften in der Fleischindustrie" abzustellen. Für die Grünen forderte die Arbeitsmarkt-Expertin Beate Müller-Gemmeke die Regierung auf, das Gesetz nicht zu verwässern und schnell zu verabschieden. Es komme bereits viel zu spät.
Aus der FDP kam Unterstützung für die elektronische Arbeitszeiterfassung und eine höhere Kontrolldichte. Die Liberalen kritisierten aber das geplante Verbot der Leiharbeit und verlangten, die Ausnahmen zu erweitern. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass nur Betriebe des Fleischerhandwerks mit weniger als 50 Beschäftigten ausgenommen sind. Der Sozial-Experte der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), verteidigte das Gesetz. Wenn die Fleischindustrie sich an ihre Selbstverpflichtungen gehalten hätte, wäre es nicht nötig geworden, sagte er. So aber müsse der Gesetzgeber handeln. Es gehe um die Verantwortung der Unternehmen für faire Arbeitsbedingungen und eine anständige Unterbringung der Arbeiter.
In der Fleischindustrie sind rund 100.000 Menschen beschäftigt. Zwei Drittel arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen bei Subunternehmen, die über Werkverträge als Dienstleister vor allem für die sechs marktbeherrschenden Unternehmen tätig sind. Deutschland ist der drittgrößte Fleischexporteur weltweit. Seit der Jahrtausendwende hat die Branche ihren Umsatz mit Billig-Fleisch verdoppelt.