Berlin/Beirut (epd). Nach der verheerenden Explosion in Beirut fordert Außenminister Heiko Maas (SPD) bei einem Libanon-Besuch Wirtschaftsreformen und den Kampf gegen die massive Korruption. Bei einer Besichtigung des zerstörten Hafengeländes sagte Maas am Mittwoch, das Ausmaß der Verwüstung sei "nahezu unvorstellbar". Daher sei es wichtig zu helfen, dass alles was zerstört wurde, Stück für Stück wieder aufgebaut werde, fügte er gegenüber Journalisten hinzu. Die Äußerungen wurden vom Auswärtigen Amt über Instagram verbreitet.
Am Dienstag vergangener Woche war es auf dem Beiruter Hafengelände zu einer gewaltigen Detonation gekommen, deren zerstörerische Druckwelle über die gesamte Stadt fegte. Laut libanesischen Medien kamen mehr als 170 Menschen ums Leben, mehr als 6.000 wurden verletzt. Auch eine Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes wurde getötet. Den Berichten zufolge waren rund 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die seit sechs Jahren ungesichert im Hafen lagerten.
Maas traf im Libanon nach Ministeriumsangaben Vertreter des libanesischen Zivil- und Katastrophenschutzes. Mit ihnen und Vertretern des Libanesischen Roten Kreuzes wollte er darüber sprechen, wie die Hilfen am besten zu den bedürftigen Menschen kommen und "nicht in dunklen Kanälen versickern". Deutschland hat den Angaben nach insgesamt 21,8 Millionen Euro Nothilfe zugesagt.
Auch ein Treffen mit dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun war vorgesehen. Maas betonte, dass Deutschland tiefgreifende wirtschaftliche Reformen und den entschlossenen Kampf gegen Korruption fordere. "Es gibt nicht viel in diesem Land, was bleiben kann, wie es ist", sagte er. Internationale Staaten seien nicht bereit, zu investieren, wenn die Korruption nicht bekämpft werde. In der EU werde man sich Gedanken machen, wie dem Libanon langfristig geholfen werden könne.
Die Diakonie Katastrophenhilfe befürchtet eine dramatische Verschärfung der humanitären Lage. Das betreffe insbesondere die Situation der über eine Million in dem Land lebenden syrischen Flüchtlinge, betonte das evangelische Hilfswerk in Berlin. Die Zerstörung von Wohnungen und Getreidevorräten könne zu einer Hungerkatastrophe führen. Schon vor der Katastrophe lebte mehr als die Hälfte der Menschen im Libanon in Armut.
"Jetzt ist es an der Zeit, uns ebenso solidarisch mit den Menschen im Libanon zu zeigen, wie sie sich in den vergangenen Jahren gegenüber syrischen Flüchtlingen verhalten haben", sagte die Präsidentin der Organisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Kein anderes Land der Welt habe - gemessen an der Einwohnerzahl - so viele Flüchtlinge aufgenommen wie der Libanon. Die Bundesregierung sei daher aufgefordert, für die Aufnahme von mehr syrischen Flüchtlingen zu sorgen. Insgesamt leben derzeit Schätzungen zufolge rund sechs Millionen Menschen in dem arabischen Land.
Der Malteser Hilfsdienst sieht die Trauma-Bewältigung bei den Überlebenden der Explosion als eine zentrale Aufgabe in der Nothilfearbeit. "Ein Drittel der Menschen an unseren mobilen Gesundheitsstationen bittet um Beruhigungsmittel, um über die nächsten 24 Stunden zu kommen", erklärte der Landeskoordinator der Malteser, Clemens Mirbach. Der plötzliche, unvorhergesehene Verlust von Grundsicherheiten sei auf einen Schlag gekommen. In den kommenden Tagen würden die Malteser Fachleute aus Deutschland für die Trauma-Bearbeitung entsenden.
Rund 200 libanesische Malteser sowie Nothilfe-Experten von Malteser International seien bereits vor Ort im Einsatz, hieß es. "Viele Menschen möchten ihre Wohnung nicht verlassen, weil sie keine Fenster oder Türen mehr haben und jeder hineinkommen kann." Die Menschen fürchteten um ihr letztes Hab und Gut, erklärte Mirbach. Die Ehrenamtlichen würden Lebensmittel ausgeben und den Menschen in den zerstörten Wohnungen das Nötigste bringen.
epd lwd/mey rks