"Jetzt ist es an der Zeit, uns ebenso solidarisch mit den Menschen im Libanon zu zeigen, wie sie sich in den vergangenen Jahren gegenüber syrischen Flüchtlingen verhalten haben", sagte die Präsidentin der Diakonie-Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2019 in Berlin. Kein anderes Land der Welt habe - gemessen an der Einwohnerzahl - so viele Flüchtlinge aufgenommen wie der Libanon. Insgesamt leben derzeit Schätzungen zufolge rund sechs Millionen Menschen in dem arabischen Land. Die Zerstörung von Wohnungen und Getreidevorräten könnten zu einer Hungerkatastrophe führen. Schon vor der Katastrophe lebte mehr als die Hälfte der Menschen im Libanon in Armut.
Außenminister Heiko Maas (SPD) reiste derweil zu einem Besuch nach Beirut. Deutschland habe am Wochenende "in einer ersten Tranche 20 Millionen Euro zugesagt, um die schlimmste Not zu lindern", erklärte er vor seinem Abflug. Die Hilfe solle mit den Vereinten Nationen und über erfahrene Hilfsorganisationen schnell nach Beirut zu den Menschen gebracht werden. Maas forderte "einen kraftvollen Aufbruch" und "tiefgreifende wirtschaftliche Reformen". Nur so werde der Libanon seine Jugend für eine gute Zukunft gewinnen, nur so werde das nötige Vertrauen aufgebaut.
Zahl der Hungernden könnte sich verdoppeln
Am 4. August war es auf dem Beiruter Hafengelände zu einer gewaltigen Detonation gekommen, deren zerstörerische Druckwelle über die gesamte Stadt fegte. Laut libanesischen Medien kamen mehr als 170 Menschen ums Leben, mehr als 6.000 wurden verletzt. Auch eine Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes wurde getötet. Den Berichten zufolge waren rund 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die seit sechs Jahren ungesichert im Hafen lagerten.
Die Diakonie Katastrophenhilfe rechnet auch wegen der Corona-Pandemie mit deutlich mehr Hungersnöten und schlägt Alarm. "Noch nie waren so viele Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen", sagte Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die Zahl der akut Hungernden könne sich nach Einschätzung der Vereinten Nationen bis Jahresende verdoppeln - und in den besonders gefährdeten Ländern von 135 Millionen Menschen auf 265 Millionen ansteigen. Die Geber der internationalen Hilfe müssten die sich abzeichnende Hungerkrise in weiten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sofort und mit aller Kraft bekämpfen, forderte sie.
Hilfsprogramme werden angepasst
Nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe haben durch den Corona-Lockdown Millionen Menschen ihr Einkommen verloren. Länder wie der Südsudan, Jemen oder Venezuela, die auf Importe von Lebensmitteln angewiesen seien, könnten wegen Grenzschließungen weniger Waren einführen. Die Preise seien zum Teil massiv gestiegen. Verteilungskämpfe und soziale Unruhen könnten die Folgen sein.
Michael Frischmuth, Kontinentalleiter Asien, sagte, dass Hilfsprogramme an die Pandemie-Lage angepasst und zum Teil auch alte Instrumente der humanitären Hilfe wieder ausgepackt worden seien. Als Beispiel nannte er Suppenküchen, mit denen zum Beispiel in Indien relativ schnell Millionen von Wanderarbeitern erreicht würden. Das evangelische Hilfswerk habe wegen der langjährigen Arbeit mit Partnern und Beratern in den jeweiligen Ländern einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Organisationen.
Wegen der Corona-Pandemie befürchtet das Hilfswerk, dass künftig "neue Not gegen alte Not ausgespielt wird" und langjährige humanitäre Krisen vergessen werden. Daher würden neue, zusätzliche Gelder benötigt. Nach Angaben der Hilfswerks-Präsidentin hat die Diakonie Katastrophenhilfe bislang für Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zwei Millionen Euro an Spenden gesammelt. Sie hoffe, dass es noch mehr wird.