Berlin (epd). Der Berliner Extremismusforscher Uffa Jensen sieht in den Demonstrationen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen ein gefährliches Potenzial für die Verbreitung rechtsextremer Ansichten. "Aus Sicht der Rechtsextremen sind Demonstrationen wie am Wochenende in Berlin eine große Chance, nach der Flüchtlingskrise ein neues Thema für ihre Merkel- und Regierungskritik zu lancieren", sagte der stellvertretende Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Professor fügte hinzu: "Dort finden Rechtsextreme Gelegenheit ihre Themen zu platzieren, so dass sie bei anderen Menschen auf Aufmerksamkeit treffen." Auffallend sei etwa, dass diese innerhalb des Demonstrationszuges nicht im Block aufgetreten seien, sondern sich unter die anderen Teilnehmer gemischt hätten.
Bei der von rund 20.000 Menschen besuchten Demonstration gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen haben aus Jensens Sicht Menschen gemeinsam protestiert, "die sonst eigentlich nicht zusammen auftreten". Das Spektrum reichte von Reichsbürgern, über Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker, aber vermutlich auch linke Gruppen, Querfront-Leute bis hin zu Impfgegnern und Menschen, die durch die Coronavirus-Pandemie politisiert worden seien. Der Extremismusforscher betonte: "Dass das jetzt einige Monate nach dem 'Shutdown' nochmal passiert, ist schon irritierend."
Ihn irritiere vor allem, dass das Auftreten von Rechtsextremisten und Reichsbürgern von den anderen Teilnehmern akzeptiert werde. Bei den Demonstrationen in Stuttgart sei in den Monaten zuvor der Eindruck entstanden, dass der Zulauf doch spärlicher wurde, "weil die Leute nicht mit den Falschen in einen Topf geworfen" werden wollten. "Ich habe jetzt den Eindruck, dass es die Leute nicht davon abhält zur Demonstration zu gehen, wenn Rechtsextreme dabei sind", sagte Jensen. Vielleicht sei in den zurückliegenden Monaten auch unterschätzt worden, welchen Zulauf diese Demonstrationen hätten.
Dass Anti-Corona-Demonstrationen überhaupt eine solche Mobilisierungskraft hätten, müsse auch vor dem Hintergrund des vergleichsweise milden Pandemieverlaufs in Deutschland bewertet werden: "Weil es in Deutschland glücklicherweise nicht so viele Tote gab wie in anderen EU-Ländern, kommt man überhaupt auf die Idee zu solchen Demonstrationen." Insgesamt zeige sich, dass die Pandemie die ohnehin schon vorhandene Polarisierung in der Gesellschaft verstärke.