Trauer um Hans-Jochen Vogel: Spitzenpolitiker haben den mit 94 Jahren gestorbenen ehemaligen Bundesminister und SPD-Parteichef gewürdigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte den Verstorbenen am Sonntag einen "lebhaften Demokraten", dessen Stimme schmerzlich fehlen werde. "Er war ein großer Sozialdemokrat, ein Vorbild, ein Freund", erklärte der SPD-Bundesvorstand. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, er habe Vogel als leidenschaftlichen Sozialdemokraten kennengelernt, der Politik stets aus tiefer Überzeugung und aus innerer Verpflichtung gestaltet habe.
Disziplin und Geradlinigkeit, Pflichtbewusstsein und ein christliches Menschenbild
Bundespräsident Steinmeier schrieb in einer in Berlin veröffentlichen Kondolenz an die Witwe Liselotte Vogel, Hans-Jochen Vogel habe "die deutsche Sozialdemokratie und die Politik unseres Landes maßgeblich geprägt". Seine Disziplin und Geradlinigkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein christliches Menschenbild hätten ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht. Vogels Tod sei auch für ihn persönlich ein großer Verlust, bekannte Steinmeier, der ebenso wie Vogel für die SPD in Regierungs- und Parteiämtern tätig war. "Sein Eintreten für den Rechtsstaat, verbunden mit seinem tiefen moralischen Gefühl, was Recht und Unrecht ist, wird mir immer in Erinnerung bleiben", schrieb der Bundespräsident.
Bereits 1960 war der Jurist Vogel mit nur 34 Jahren zum Oberbürgermeister von München gewählt worden. Er holte die Olympischen Spiele 1972 in die bayerische Landeshauptstadt. In der Regierung Willy Brandts wurde er 1972 Bundesbauminister, unter Kanzler Helmut Schmidt wechselte er ins Justizressort.
1981 war Vogel kurze Zeit Regierender Bürgermeister in Berlin. 1983 trat er als SPD-Spitzenkandidat zur Bundestagswahl an, unterlag aber Helmut Kohl (CDU). An der Spitze der SPD-Fraktion im Bundestag stand er von 1983 bis 1991 und war ab 1987 als Nachfolger Willy Brandts zugleich Parteichef.
Nach dem Abschied aus der Politik war Vogel unter anderem Mitglied des Nationalen Ethikrates. Der im niedersächsischen Göttingen geborene Katholik engagierte sich viele Jahre auch im Protestantismus, etwa als Redner auf Kirchentagen und in evangelischen Akademien. Seinen Lebensabend verbrachte Vogel, der an Parkinson erkrankt war, zusammen mit seiner Frau Liselotte in einer Seniorenresidenz in München.
Der SPD-Parteivorstand schrieb bei Twitter, Vogel habe sein Leben lang für sozialdemokratische Werte, eine gerechte Welt und für ein einiges Europa gekämpft. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte in dem Kurznachrichtendienst: "Mit Hans-Jochen Vogel ist ein ganz großartiger Mensch von uns gegangen."
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, mit Vogel verliere Deutschland eine herausragende Persönlichkeit. Über Parteigrenzen hinweg habe er durch seine glaubwürdige Politik und authentische Art höchstes Ansehen genossen.
Bedford-Strohm: Vogel ging es immer um soziale Gerechtigkeit
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte im sozialen Netzwerk Facebook, Vogels Wirken für Deutschland sei nicht ohne sein bewusstes Christsein zu verstehen. Sein ganzes Leben sei es ihm um soziale Gerechtigkeit gegangen. "Wohnraum auch für sozial schlechter gestellte Menschen bezahlbar zu machen, ist für mich so etwas wie sein politisches Vermächtnis", schrieb Bedford-Strohm zum Eintreten Vogels für Sozialpflichtigkeit des Bodeneigentums. Insbesondere in seinen letzten Lebensjahren hatte sich der SPD-Politiker angesichts steigender Mieten und Immobilenpreise für bezahlbares Wohnen eingesetzt.