Brüssel (epd). Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf das größte Finanzpaket in der Geschichte der EU geeinigt. Mit über 1,8 Billionen Euro sollen der Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 und ein Wiederaufbaufonds gegen die Folgen der Coronakrise ausgestattet werden. Kritiker bemängelten, dass sich auf dem vier Tage und Nächte dauernden Treffen nationale Interessen durchgesetzt hätten und dass das Paket nicht angemessen auf die Klimakrise reagiere.
"Deal!" verkündete Ratspräsident Charles Michel am frühen Dienstagmorgen nach einer weiteren Verhandlungsnacht auf Twitter. Kurz darauf zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) online vor der Presse erleichtert: "Wir haben nach sehr langer Sitzung einen guten Abschluss gefunden, und darüber bin ich sehr froh."
Das Paket setzt sich aus dem regulären EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 - dem sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) - und einem speziellen Wiederaufbaufonds zusammen, der die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise bekämpfen soll. Der MFR hat laut Abschlussdokument ein Volumen von 1,0743 Billionen Euro, für den Wiederaufbaufonds kommen weitere 750 Milliarden Euro hinzu.
"Wir haben damit die Weichen für die finanziellen Grundlagen der Europäischen Union für die nächsten sieben Jahre gestellt und gleichzeitig eine Antwort auf die größte Krise seit Bestehen der Europäischen Union gegeben in Form des Wiederaufbaufonds", sagte Merkel. Auf der Bundeskanzlerin lastete während des von manchen als historisch gewerteten Treffens eine besondere Verantwortung, weil Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
Die Staats- und Regierungschefs hatten sich am Freitag erstmals seit Beginn der Pandemie persönlich zu ihrem Gipfel in Brüssel getroffen. Umstritten waren eine Reihe von Punkten. So schafften es Österreich und weitere sogenannte "sparsame" Länder, die Höhe der Zuschüsse im Wiederaufbaufonds zu senken, nicht zurückgezahlt werden müssen: Deutschland und andere hatten 500 Milliarden Euro vorgeschlagen, nun sind es 390 Milliarden Euro.
Zudem sollen EU-Gelder künftig an Standards der Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden - dies war wegen in dieser Hinsicht problematischer Entwicklungen in Osteuropa ebenfalls ein Knackpunkt. Sowohl MFR als auch Sonderfonds sollen nachhaltig ausgerichtet werden. Dafür müssen mindestens 30 Prozent der Ausgaben zur Klimapolitik beitragen.
Die Reaktionen auf die Einigung waren geteilt. So sprach der Wirtschaftsverband BusinessEurope etwa von "exzellenten Neuigkeiten". Doch auch Kritik wurde laut. Es sei am Ende "leider kein europäisches Paket geworden, sondern nur ein Sammelsurium von nationalen Wünschen", erklärte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber (CSU). Das Europaparlament werden darauf pochen, dass Gelder nicht zum Schaden von Zukunftsprojekten nur in traditionelle Bereiche wie die Landwirtschaft fließen, kündigte er an. Das Finanzpaket muss noch mit dem Parlament verhandelt werden.
Der EU-Parlamentarier Sven Giegold (Grüne) bemängelte, dass beim gerechten Übergang in den Klimaschutz und einer gemeinsamen europäischen Gesundheitspolitik gekürzt wurde. Laut Deutscher Umwelthilfe ist das 30-Prozent-Vorgabe des Sonderfonds zu gering. Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, seien mindestens 40 Prozent nötig.
Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte, dass gegenüber früheren Plänen Gelder für Entwicklungshilfe gestrichen worden seien. Dies werde "echte menschliche Kosten haben", so die Befürchtung. "Die Pandemie drängt schon jetzt Millionen von Menschen an den Rand des Verhungerns und vergrößert die extreme Armut."
epd ps/bm hei