Wien/Frankfurt a.M. (epd). Nach der angekündigten Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee hat der Ostkirchen-Experte Erich Leitenberger einen rücksichtsvollen Umgang mit der Geschichte des Gebäudes angemahnt. "Wir hoffen mit allen Freunden der byzantinischen Kunst sowie mit vielen gläubigen Christen, dass der religiöse Bildschmuck der Hagia Sophia erhalten bleibt und nicht abgedeckt wird", sagte der Pressesprecher der Wiener Stiftung "Pro Oriente" am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist aber jetzt eindeutig klar, dass die Hagia Sophia, wie sie auch auf Türkisch heißt, jetzt eine Moschee ist wie alle anderen."
Leitenberger verwies auf die gleichnamige byzantinische Kirche in Trabzon im Nordosten der Türkei am Schwarzen Meer. Auch diese Hagia Sophia wurde während der osmanischen Herrschaft in eine Moschee umgewandelt, war seit 1964 ein Museum und wird seit wenigen Jahren wieder als Moschee genutzt. Dort würden während der muslimischen Gebetszeiten die christlichen Fresken und Mosaiken mit Vorhängen vor den Blicken der Betenden verborgen. In der Istanbuler Hagia Sophia waren die Fresken und Mosaiken im 20. Jahrhundert wieder freigelegt worden.
Die geplante Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee bezeichnete Leitenberger als "traurigen Vorgang". Diese Maßnahme trage nicht dazu bei, den interreligiösen Dialog zu stärken und Vertrauen zu schaffen. Das sei gerade in dieser Zeit bedauerlich, in der alle Nationen und Menschen vor großen Herausforderungen stehen.
Es sei kein Zufall, dass die Verwaltung der Hagia Sophia sofort dem Diyanet, dem Präsidium für Religionsangelegenheiten in der Türkei, übergeben wurde, fügte Leitenberger hinzu. Allerdings könne man die Hagia Sophia wie die in ihrer Nähe liegende berühmte Blaue Mosche außerhalb der Gebetszeiten besuchen. Aber nur muslimische religiöse Handlungen seien in Zukunft darin erlaubt.
Auf die Hagia Sophia erheben Christen wie Muslime gleichermaßen Anspruch. Sie wurde als "Kirche der göttlichen Weisheit" im Jahr 537 geweiht und war fast ein Jahrtausend lang die christliche Hauptkirche Konstantinopels. Als die Osmanen 1453 die Stadt eroberten, wurde sie zur Moschee umfunktioniert. In den 1930er Jahren wandelte Atatürk sie in ein Museum um - dieser Beschluss wurde mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts nun annulliert. Die Hagia Sophia gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.
Die Stiftung "Pro Oriente" wurde von Kardinal Franz König während des Zweiten Vatikanischen Konzils am 4. November 1964 in Wien begründet. Ziel der Einrichtung ist die Überwindung der Spaltung zwischen römisch-katholischer Kirche und den orthodoxen Kirchen sowie den orientalisch-orthodoxen Kirchen.