Berlin (epd). Neben Janine Wissler haben einem Zeitungsbericht zufolge weitere Linken-Politikerinnen Drohschreiben erhalten, die mit "NSU 2.0" unterschrieben sind. Betroffen seien die Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm, meldete die "tageszeitung" am Freitag in ihrer Online-Ausgabe. Auch in den Drohschreiben an Renner und Helm seien persönliche, öffentlich nicht bekannte Informationen enthalten gewesen. Linken-Parteichef Bernd Riexinger warf den Behörden vor, seine Partei nicht ausreichend gegen die Anfeindungen zu schützen.
Die Fraktionschefin der Linken im hessischen Landtag, Wissler, hatte Mitte Februar ein erstes, mit "NSU 2.0" unterschriebenes Schreiben erhalten. Am Donnerstag bestätigte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU), dass sie zwei weitere Drohmails des gleichen Absenders bekommen habe. Persönliche Informationen über die Politikerin waren zuvor aus einem Wiesbadener Polizeicomputer abgerufen worden. Beuth schloss ein rechtsextremes Netzwerk in der Polizei seines Bundeslandes nicht aus.
Die beiden neuen Drohmails gingen laut "tageszeitung" parallel an weitere Empfänger, darunter Helm und Renner. Von allen drei Linken-Politikerinnen werden nach Informationen der Zeitung in den Schreiben persönliche Daten aufgeführt und es werde gegen sie ein "Todesurteil" ausgesprochen. Die Politikerinnen sind bekannt für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus. Laut dem hessischen Innenminister Beuth haben auch er selbst, Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sowie andere hessische Politiker "NSU 2.0"-Drohmails erhalten.
Die Bundestagsabgeordnete Renner machte den Ermittlern schwere Vorwürfe. Das Landeskriminalamt Hessen habe bei der Aufklärung der Drohserie bisher komplett versagt, sagte sie der "tageszeitung". "Es ist ein schweres Versäumnis von Innenminister Beuth, sich erst jetzt um die Morddrohungen gegen engagierte Frauen zu kümmern", fügte sie hinzu.
Parteichef Riexinger äußerte sich schockiert darüber, "dass meinen Kolleginnen in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt Polizeischutz angeboten wurde". Wenn so der Eindruck entstehe, dass der Staat die Bedrohungslage nicht ernst nehme, stärke das die Täter, sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag). Die Morddrohungen seien ein weiterer Schritt in Richtung einer Eskalation rechter Hetze.
Riexinger erklärte, seit Monaten gebe es massive Drohungen und Tätlichkeiten "gegen linke Politiker und Politikerinnen und Aktivistinnen und Aktivisten, die sich gegen Rassismus, Neonazismus und Antisemitismus engagieren". Der Frage nach der Untätigkeit der Behörden stehe nun "der Fakt gegenüber, dass private, nicht öffentlich zugängliche Daten von Janine Wissler in einem Wiesbadener Polizeirevier abgerufen wurden". Das rechtsextreme Netzwerk in den Behörden in Hessen erscheine noch größer als bisher bekannt.