Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun noch es sehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen. Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel. Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Wesen und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.
Offenbarung 5,1–6 (hier vorgelesen von Helge Heynold)
Liebe Beständige,
ein Satz, den man in dieser Zeit immer wieder hört, lautet: "Ja, das werden wir dann sehen!" Meist wird dieser Satz mit einem Seufzen gesprochen. Es gab ihn natürlich auch vor der Pandemie, und man kann ihn auch augenzwinkernd sagen. Dann klingt er nach: "Schaun mer mal!" und "Warten wirs ab!" Aber im Moment ist unsere Zukunft so unklar, dass wir uns seufzend eingestehen müssen, dass wir ganz wenig planen können. Im nächsten Jahr soll zum Beispiel der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main stattfinden – eine riesige Veranstaltung, auf die man sich normalerweise bereits lange vorher freut. Die Vorbereitungen haben natürlich schon begonnen, aber alles steht unter Vorbehalt. Niemand weiß, was im Mai des nächsten Jahres möglich sein wird.
Etwas zu planen, macht Vorfreude, und die ist uns in ganz vielen Fällen im Moment genommen. Außerdem würde man sich weniger unsicher fühlen, wenn man sich die Zukunft möglichst deutlich ausmalen und sich vorbereiten könnte. Wenn aber die Zukunft gleichzeitig verschleiert ist und die Gegenwart schwer erträglich, dann können einem schon die Tränen kommen.
In einer solchen Situation wurde die Offenbarung des Johannes geschrieben, aus der unser Bibeltext für diese Woche stammt. Die christlichen Gemeinden, die sich überall im Römischen Reich gegründet hatten, waren auf das Schlimmste bedroht. Verfolgungen waren an der Tagesordnung, sich öffentlich zum Christentum zu bekennen, war lebensgefährlich. Der Glaube an Jesus Christus versprach ein Ende nach dem Schrecken, aber wann würde es endlich so weit sein? Der Seher Johannes schreibt darum an die christlichen Gemeinden, was er gesehen hat von dem, was noch kommen wird. Doch schon im 5. Kapitel sieht auch er, dass Gott die Zukunft verschlossen hat. Was geschehen wird, ist ein Buch mit sieben Siegeln. Darum beginnt Johannes, heftig zu weinen. Niemand ist würdig, die Siegel aufzubrechen. Einer der Ältesten, die in dieser Szene um den Thron stehen, tröstet Johannes: Es gibt den einen, der würdig ist: den Nachkommen Davids. Gemeint ist freilich Jesus Christus, der den Tod "überwunden" hat. Er erscheint dem Seher Johannes als Lamm, das gleichzeitig wie geschlachtet aussieht und dennoch steht.
Es ist nicht möglich, die Bilder bis ins Letzte zu deuten, die Johannes hier beschreibt. Vielleicht waren sie für die Christinnen und Christen seiner Zeit verständlicher, doch für uns sind eher die großen Handlungsstränge der Offenbarung zu verstehen. Johannes bekommt offenbart, was geschehen wird: Es wird alles noch viel schlimmer werden, als es ohnehin bereits ist. Es werden buchstäblich alle Mächte im Himmel und auf der Erde gegeneinander antreten und sich einen erbitterten Kampf liefern, bevor endlich die Erlösung eintrifft.
Ich habe diesen Text ausgewählt, weil ich einen Trost darin entdeckt habe, den ich mit Ihnen teilen möchte: Die Zukunft ist versiegelt. Es gibt niemanden, der uns sagen kann: So oder so wird es ausgehen mit der Pandemie oder mit anderen Krisen, die uns bedrohen. Der Einzige, der die Zukunft öffnen kann, ist derjenige, der alles gibt, damit alles gut wird. Das macht uns nicht automatisch gelassener, aber es kann die Vorfreude neu anfachen. Das Lamm, das geschlachtet wurde und wieder steht, kennt das gute Ende für uns.
Wir werden sehen, was das im Einzelnen bedeutet. Es ist noch nicht vorbei, und wir können nicht absehen, was noch auf uns zukommt. Wir können nur sicher sein, dass der, der überwindet, auf unserer Seite ist. In der Gewissheit können wir anfangen, für das gute Ende zu planen.
Darum lautet die Wochenaufgabe: Planen Sie für das gute Ende! Suchen Sie sich eine Sache aus, die Sie machen möchten, wenn die Pandemie tatsächlich überwunden ist. Wenn Sie etwas gefunden haben, schreiben Sie es auf und bewahren Sie Ihre Idee an einem Ort auf, an dem Sie sie garantiert wiederfinden werden. Erlauben Sie sich die Vorfreude, ganz gleich, was werden wird!
Ich grüße Sie von Herzen!
Ihr Frank Muchlinsky