Bonn, Hannover (epd). Die beiden großen christlichen Kirchen haben im Jahr 2019 deutlich mehr Mitglieder verloren als in den vorangegangenen Jahren. Das zeigen die am Freitag veröffentlichten Mitgliedszahlen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Zahl der Protestanten ging um knapp 427.390 zurück, die Katholiken verloren rund 401.760 Mitglieder. Damit gehören noch 52,1 Prozent der Deutschen einer dieser beiden christlichen Konfessionen an.
Grund für den Rückgang ist neben Sterbefällen vor allem die Zahl der Kirchenaustritte, die sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten einen historischen Höchststand erreichte. Auf Basis der gemeldeten vorläufigen Zahlen sind im Jahr 2019 mit etwa 270.000 Menschen rund 22 Prozent mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten als noch im Vorjahr, teilte die EKD mit. Noch mehr verließen die katholische Kirche: Mehr als 272.700 Menschen annullierten ihre Mitgliedschaft - ein Anstieg von 26,2 Prozent. Die Austrittsrate stieg auf über 1,2 Prozent, im vergangenen Jahr hatte sie noch unter einem Prozent gelegen. So hoch war sie noch nie, sagte der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack dem Evangelischen Pressedienst (epd). Erstmals seit dem Jahr 2010, in dem der Missbrauchsskandal bekannt wurde, gab es mehr Kirchenaustritte bei den Katholiken als bei den Protestanten.
Die Zahl der Austritte und Todesfälle lässt sich nicht durch Taufen oder Wiedereintritte kompensieren. Doch während die Zahl der Taufen (160.000) und Aufnahmen (25.000) sich bei den Protestanten in etwa auf dem Vorjahresniveau bewegte, sank beides bei den Katholiken im Vergleich zu 2018 deutlich. Die Katholiken zählten 2019 rund 159.000 Taufen, 2018 waren es noch mehr als 167.700 gewesen. Auch die Zahl der Eintritte und Wiederaufnahmen sank um rund zwölf Prozent auf insgesamt 7.669.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte, an den Zahlen gebe es nichts schönzureden. Er empfinde die hohe Zahl von Kirchenaustritten als besonders belastend. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte, jeder einzelne Austritt schmerze. Die EKD kündigte an, die erhöhten Austrittszahlen vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD untersuchen lassen zu wollen.
Rund 20,7 Millionen Menschen waren zum Stichtag 31. Dezember 2019 Mitglied in einer der 20 Landeskirchen der EKD, teilte die EKD mit. Das waren rund zwei Prozent weniger als im Vorjahr (21,1 Millionen). Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von knapp 25 Prozent. Der katholischen Kirche gehörten 2019 22,6 Millionen Menschen in Deutschland an (2018: 23,0 Millionen). Bis 2060 könnte sich der Anteil der Kirchenmitglieder halbieren, zu diesem Ergebnis kam eine Studie von Freiburger Finanzwissenschaftlern im vergangenen Jahr.
Die Zahl der Kirchenmitglieder hat Auswirkungen auf die Kirchenfinanzen. Während in den vergangenen Jahren die Kirchensteuer trotz sinkender Mitgliederzahlen wegen der guten wirtschaftlichen Konjunktur zunahm, erwartet die EKD nun für das laufende Jahr infolge der Corona-Krise einen starken Einbruch. Zwischen zehn und 25 Prozent könnten die Einbußen liegen. Die Bischofskonferenz machte keine Angaben dazu.