Frankfurt a.M. (epd). Mit der Vorführung eines später widerrufenen Videogeständnisses ist am Donnerstag der Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke am Oberlandesgericht Frankfurt am Main in den zweiten Verhandlungstag gegangen. In einer polizeilichen Vernehmung vom 25. Juni 2019 hatte der Angeklagte Stephan E. eingeräumt, Lübcke in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse von dessen Haus in den Kopf geschossen zu haben. Rund eine Woche nach dem Geständnis widerrief er dieses.
Später belastete er den Mitangeklagten Markus H., den tödlichen Schuss auf Lübcke versehentlich abgegeben zu haben. H. ist in dem Prozess allerdings nur wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Beide sollen nach Auffassung der Bundesanwaltschaft aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt haben.
Im ersten Teil des Videos, der bis zur Mittagspause gezeigt wurde, schildert E. den Zeitraum von 2010 bis zur Tat. Mit tränenerstickter Stimme erzählt er, dass er nach vielen Jahren in der rechtsextremen Szene und mehreren Verurteilungen versucht habe, sich aus dem Milieu zu verabschieden und ein bürgerliches Leben zu führen.
Doch Themen wie Überfremdung, Ausländerkriminalität oder die Auffassung, dass Deutschland nicht souverän sei, hätten ihn nicht losgelassen. Auf der Arbeit habe er dann seinen früheren Weggefährten Markus H. wiedergetroffen. Mit H. habe er an gemeinsamen Schießübungen teilgenommen. Zudem verkauften beide Waffen.
Mit der Flüchtlingskrise 2015 habe er dann zunehmend Ängste bekommen, dass Deutschland mit Ausländern überflutet werde, berichtete er. Lübcke war den Ermittlungen zufolge ins Visier der Rechtsextremisten geraten, als er bei einer Bürgerversammlung in Lohfelden bei Kassel im Herbst 2015 gesprochen hatte, bei der es um die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in dem Ort ging.
Bevor es zur Würdigung des ersten Beweismittels im Prozess kam, hatte die Verteidigung mehrere Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel gestellt und immer wieder die Unterbrechung der Sitzung beantragt. Als dann auch noch eine längere Debatte darüber entbrannte, wie der Fernseher für die Videopräsentation aufgestellt werden sollte, platzte Sagebiel der Kragen: "Wir sind doch nicht dumm", sagte er. "Das grenzt hier langsam ans Lächerliche."
Der Prozess hatte am Dienstag begonnen. Bis Ende Oktober sind derzeit insgesamt 32 Verhandlungstage vorgesehen.