Frankfurt a.M. (epd). Zum Auftakt des Prozesses um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben die Verteidiger der beiden Angeklagten mehrere Anträge zur Aussetzung der Hauptverhandlung gestellt. Zudem lehnte der des Mordes angeklagte Stephan E. den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, wie sein Anwalt Mustafa Kaplan am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main sagte.
Zur Begründung führte Kaplan an, dass Sagebiel rechtswidrig die Anwältin Nicole Schneiders als Pflichtverteidigerin für den der Beihilfe angeklagten Markus H. bestellt habe, um E. bewusst zu schaden. Vor diesem Hintergrund beantragte Kaplan auch den Ausschluss Schneiders sowie des zweiten Verteidigers H.s, Björn Clemens.
E.s zweiter Verteidiger, Frank Hannig, begründete seinen Antrag auf Aussetzung mit Beeinträchtigungen des Prozessablaufs durch die Corona-Pandemie sowie mit der zu kurzen Einarbeitungszeit für die Verteidigung angesichts des umfangreichen Materials von rund 90.000 Seiten. Auch H.s Anwältin Schneiders verwies darauf, dass der Verteidigung zu wenig Zeit für eine sachgerechte Verteidigung eingeräumt worden sei.
Clemens forderte eine Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten, unter anderem wegen suggestiver Tendenzen bei den Ermittlungen und der Berichterstattung zu dessen Nachteil. Sein Mandant sei "öffentlich hingerichtet worden, bevor der Prozess überhaupt begonnen hat".
Bei der Nebenklage lösten die Anträge der Verteidiger Bestürzung aus. "Für uns ist es schwer erträglich, den heutigen Vormittag als Beginn der Hauptverhandlung zu erleben", sagte der Anwalt Holger Matt, der die Witwe und die beiden Söhne Lübckes vertritt. Er forderte ebenso wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, die Anträge abzulehnen. Das Gericht wollte am frühen Nachmittag über den weiteren Fortgang entscheiden.
Stephan E. soll laut Anklage am 1. Juni 2019 um 23.20 Uhr Lübcke auf der Terrasse von dessen Haus in Wolfhagen-Istha bei Kassel in den Kopf geschossen haben. Markus H. soll E. durch die gemeinsame Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen und durch gemeinsame Schießübungen in seinem Tatentschluss bestärkt haben. Beide Angeklagten sollen laut Bundesanwaltschaft aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt haben.