Berlin (epd). Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes befürchtet eine starke Zunahme der weiblichen Genitalverstümmelung in Deutschland inmitten der Corona-Krise. "Wenn Mädchen nicht regelmäßig zum Arzt, in die Schule oder in den Sportkurs gehen können, steigt die Gefahr, dass der Eingriff in den eigenen vier Wänden, vollkommen unbemerkt, durchgeführt wird", warnte Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle am Montag in Berlin. Sie stellte dabei die jährliche Dunkelzifferstatistik der Organisation für 2020 vor.
Demnach sind in Deutschland mehr als 20.000 Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht, viele davon mit Abstammung aus Ägypten, Somalia, Eritrea und weiteren afrikanischen Ländern. Etwa 75.000 Frauen und Mädchen in Deutschland lebten bereits mit den Folgen eines solchen Eingriffs. Wie in den Jahren zuvor verzeichnet Terre des Femmes auch in der aktuellen Dunkelzifferstatistik einen deutlichen Anstieg. 2019 seien gut 70.000 in Deutschland lebende Frauen an ihren Geschlechtsorganen verstümmelt gewesen, etwa 17.700 Mädchen drohte der Eingriff. Die Organisation ermittelt die Dunkelziffer über die Zahl der in Deutschland lebenden Frauen und Mädchen aus bestimmten Ländern und dem Anteil der weiblichen Bevölkerung dieser Länder, die Opfer von Genitalverstümmelung ist.
Bei der Genitalverstümmeldung werden Mädchen die äußeren Geschlechtsorgane teilweise oder ganz entfernt, neben den Schamlippen häufig auch die Klitoris. Danach wird die Vagina teilweise zugenäht. Die Prozedur, die oft mit einer Rasierklinge unter schlimmsten hygienischen Bedingungen stattfindet, kann zu schweren und langwierigen Infektionen, Schmerzen oder dem Tod führen. Unicef zufolge wird weibliche Genitalverstümmelung in 29 Ländern Afrikas und des mittleren Ostens praktiziert. Auch in einigen Ländern Südostasiens ist die Praxis verbreitet.