Berlin (epd). Nach massiven Corona-Ausbrüchen unter Arbeitern hat das Bundeskabinett schärfere Auflagen für die Fleischindustrie beschlossen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärte nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin, das Schlachten und die Verarbeitung des Fleisches in den Betrieben dürfe vom kommenden Jahr an nur noch von eigenen Beschäftigten erledigt werden. "Werksvertragsgestaltung und Arbeitnehmerüberlassung sind damit ab 1. Januar 2021 kommenden Jahres nicht mehr möglich", sagte Heil. Damit soll erreicht werden, dass Fleischfabriken die Verantwortung für Niedrigstlöhne und menschenunwürdige Unterbringung nicht länger von sich weisen können. Heute geht das, weil die Arbeiter bei Subunternehmen beschäftigt sind. Die Opposition begrüßte die Verschärfungen, die Industrie lehnte sie ab.
Heil will nun einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem die Arbeitnehmerüberlassung im Kerngeschäft der Fleischindustrie unterbunden werden kann. Ausgenommen werden solle das Fleischerhandwerk, sagte Heil. Der kleine Metzger auf dem Land, der noch selbst schlachte, sei nicht betroffen. Die Verschärfungen zielten allein auf die Zustände in den Fabriken.
Das Kabinett beschloss auch eine Ausweitung der Arbeitsschutz-Kontrollen durch den Zoll und die Länder, eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung und höhere Bußgelder bei Verstößen. Die Arbeitgeber müssen mitteilen, wo ihre ausländischen Arbeiter eingesetzt und untergebracht sind. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) unterstützte die Beschlüsse. Sie erklärte, in der Fleischindustrie gebe es Zustände, die "nicht haltbar" seien. Die Betriebe könnten die Verantwortung dafür nicht einfach an Subunternehmer auslagern. Dies gehe zulasten vieler Arbeiter, kritisierte die CDU-Politikerin.
Ob es zu einem Verbot des "Sub-, Sub-, Subunternehmertums" (Heil) in der Branche kommen würde, war zu Beginn der Woche noch offen. Heil zeigte sich nach der Kabinettssitzung zufrieden und kündigte an, man werde sich bei der Gesetzgebung nicht von Lobby-Interessen, sondern von der Sorge um das Allgemeinwohl leiten lassen. Die Fleischindustrie sei eine wichtige Branche für Deutschland. "Für ein Geschäftsmodell jedoch, dass die Ausbeutung von Menschen und die Ausbreitung von Pandemien in Kauf nimmt, kann es in Deutschland keine Toleranz geben", sagte Heil. "Es ist Zeit, in diesem Bereich aufzuräumen." Die Fleischbranche habe in der Vergangenheit immer wieder gesetzliche Regelungen umgangen und die Behörden ausgetrickst.
Ausgelöst worden war die Debatte über die Fleischindustrie durch massenhafte Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die vielfach aus Rumänien und Polen stammenden Arbeiter sind in der Regel bei Subunternehmen beschäftigt und in überfüllten und überteuerten Unterkünften untergebracht.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Opposition begrüßten den Regierungsbeschluss. Freiwillige Regelungen hätten nichts an den katastrophalen Zuständen geändert, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte scharfe Kontrollen, um die unmenschlichen Zustände abzustellen.
Die Arbeitgeber nannten es hingegen inakzeptabel, dass einzelne Missstände der Politik dazu dienen sollten, erfolgreiche Instrumente der Wirtschaft wie Werkverträge abzuschaffen. Das gehe gegen die Berufsfreiheit, kritisierte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Die Geflügelwirtschaft warnte, Werkverträge allein für die Fleischindustrie zu verbieten, sei verfassungswidrig. Der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, forderte im Inforadio des rbb einen Runden Tisch aus, um neue Regeln zu entwickeln. Zugleich erklärte er aber, rechtlich erscheine es ihm auch erfolgversprechend, gegen ein Verbot von Werkverträgen für die Fleischindustrie zu klagen.