Hamburg (epd). Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller wehrt sich gegen den Vorwurf, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. "Ich verstehe nicht, warum man bei Vorwürfen immer gleich bis zum Äußersten gehen muss", sagte Müller der Wochenzeitung "Die Zeit". Es stehe ihm zu, "Kirchenschließungen zu kritisieren, wenn Supermärkte geöffnet sind", sagte der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan.
Müller hatte vergangenen Freitag einen Appell mit verschwörungstheoretischen Inhalten unterzeichnet. Darin heißt es etwa, die Corona-Pandemie sei nur ein Vorwand, um Bürgerrechte außer Kraft zu setzen, es drohe die Schaffung einer Weltregierung. Die Einschränkungen der Religionsausübung werden abgelehnt. Verfasser des Papiers ist Erzbischof Carlo Maria Viganò, ein scharfer Kritiker von Papst Franziskus. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte sich am Wochenende von dem Dokument distanziert.
Müller war zehn Jahre lang Bischof von Regensburg, bevor er 2012 Präfekt der Glaubenskongregation wurde. Müller rechtfertigte die Unterzeichnung des Appells. Keine einzige Zeile stamme von ihm und normalerweise unterschreibe er solche Aufrufe nicht, aber er habe Viganò keine Bitte abschlagen wollen.
"Natürlich darf ich meine Grundrechte angesichts einer Pandemie nicht egoistisch wahrnehmen. Aber ich muss die Einschränkungen in der Ausübung der Grundrechte auch nicht stumm hinnehmen", sagte Müller. Er betonte, er erachte es als "Frechheit", als konservativ bezeichnet zu werden. Diese politischen Kategorien passten einfach nicht auf die Kirche.