Koblenz (epd). Der weltweit erste Prozess zu Staatsfolter in Syrien startet an diesem Donnerstag in Koblenz. Vor dem Oberlandesgericht müssen sich zwei mutmaßliche Ex-Geheimdienstfunktionäre der syrischen Regierung verantworten. Am ersten Prozesstag werde die Anklageschrift verlesen, möglicherweise werde auch bereits ein erster Zeuge gehört, sagte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Anwar R. und Eyad A. werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Sie sollen für die Folter zahlreicher Menschen in einer Haftanstalt des Geheimdienstes mitverantwortlich gewesen sein. Anwar R. wird als Mittäter beschuldigt. Im Zusammenhang damit wird ihm laut Anklage Mord in 58 Fällen, Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung zur Last gelegt. Er leitete den Angaben zufolge eine Ermittlungseinheit mit angeschlossenem Gefängnis des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes in Damaskus.
Gegen Eyad A. besteht der Bundesanwaltschaft zufolge ein Tatverdacht der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er sei in einer Unterabteilung beschäftigt gewesen, die der Ermittlungsarbeit von Anwar R. zuarbeitete. Dabei habe er im Herbst 2011 die Folterung von mindestens 30 Menschen ermöglicht.
Die beiden Beschuldigten verließen Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren und kamen 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen. Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden, ganz gleich, wo die Taten verübt wurden. In Deutschland ist dies durch das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 geregelt.
Von dem Prozess erhoffen sich Opfer und Menschenrechtler eine Signalwirkung. Das Verfahren könne helfen, den Weg für internationale Verfahren und letztlich zur Strafverfolgung der Spitze des syrischen Regimes zu ebnen, hatte die Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR erklärt.