Kassel (epd). Eine fehlerhafte Aufklärung von Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen kann für die Kliniken teuer werden. Handelt es sich bei einer vorgeschlagenen Therapie nicht mehr um eine Routinebehandlung, kann bei einer unzureichenden Aufklärung die Krankenkasse die Begleichung der Klinik-Abrechnung verweigern, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Donnerstag veröffentlichten schriftlichen Urteil. (AZ: B 1 KR 20/19 R)
Im Streitfall ging es um einen Patienten mit einem Lymphdrüsentumor. Nachdem die behandelnden Ärzte einer Hamburger Klinik bei dem Mann Chemo- und Strahlentherapien ausgeführt hatten, führten sie im März 2010 auch eine Stammzelltransplantation eines fremden Spenders durch. Diese Behandlung gehörte noch nicht zum medizinischen Standard. Zweieinhalb Monate später starb der Mann an den Folgen einer Blutvergiftung.
Die Krankenkasse des 60-jährigen Mannes wollte Behandlungskosten für die Stammzelltransplantation in Höhe von über 45.000 Euro nicht bezahlen, hieß es. Die Therapie sei medizinisch nicht notwendig gewesen, der Patient sei auch nicht ausreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden. Unter Umständen hätte er die Behandlung sonst gar nicht durchführen wollen.
Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht in Hamburg zurück. Dieses müsse noch prüfen, inwieweit die Klinik den Patienten unzureichend und damit fehlerhaft aufgeklärt hat. Zwar könne bei medizinischen Routinebehandlungen regelmäßig davon ausgegangen werden, dass eine Aufklärung ordnungsgemäß stattgefunden hat. Je höher das Risiko für schwere Gesundheitsschäden oder einem erhöhten Sterberisiko sei, desto umfassender müsse der Patient darüber in Kenntnis gesetzt werden, forderte das BSG. Dies gelte erst recht für Behandlungen, die noch nicht dem medizinischen Standard entsprechen. Fehle eine Aufklärung über Behandlungsoptionen und Gesundheitsrisiken, könne die Krankenkasse die Übernahme der Behandlungskosten verweigern.