Rom (epd). Papst Franziskus hat am Abend des Karfreitag unter Ausschluss von Gläubigen auf dem römischen Petersplatz den Kreuzweg gebetet. Er findet traditionell bei Fackelschein am Kolosseum stattfindet, wurde wegen der Corona-Epidemie in diesem Jahr jedoch verlegt und mit nur wenigen Menschen begangen. In Anwesenheit einiger Häftlinge aus Padua und Mitarbeitern des vatikanischen Gesundheitsamtes sprach der Papst vor dem leeren Platz die Gebete zwischen den Kreuzwegstationen. "Lehre uns, den Menschen nicht mit dem begangenen Unrecht zu identifizieren", sagte er unter Hinweis auf die Häftlinge, die einen Teil der Meditationen zur Prozession verfasst hatten.
Die Häftlinge hatten gemeinsam mit Opfern von Verbrechen und deren Angehörigen im Auftrag des Papstes die Texte geschrieben. Die Prozession erinnert an den Leidensweg von Jesus Christus vor dessen Hinrichtung am Kreuz.
Zu den Urhebern der Texte mit aktuellem Bezug auf ihr eigenes Leben gehörten eine von einem Mordanschlag betroffene Familie, die Tochter eines zu lebenslanger Haft verurteilten Mannes und ein Priester, der von Missbrauchsvorwürfen freigesprochen wurde. Ein Häftling schrieb, sein Vater sei unter den Bedingungen eines "Nicht-Lebens" in Isolationshaft gestorben.
Die Häftlinge beschrieben in ihren Meditationen zum Kreuzweg ihren Weg aus schwierigen sozialen Bedingungen in die Kriminalität. Ein zu lebenslanger Haft verurteilter Mann schilderte, er habe nach 29 im Gefängnis verbrachten Jahren "noch nicht die Fähigkeit verloren, zu weinen, mich für meine Vergangenheit und das Böse, das ich getan habe, zu schämen".
Die Familie zweier Mädchen, die einem Mordanschlag zum Opfer fielen, berichteten, ihr Leben als Eltern habe gemeinsam mit dem ihrer beiden Töchter geendet. Die Tochter eines Häftlings beschrieb "Wut, Unruhe und Melancholie" angesichts der Tatsache, ohne ihren Vater aufgewachsen zu sein.
Am Samstagabend wird der Papst im Petersdom ebenfalls ohne Gläubige die Osternacht feiern. Am Sonntag wird er nicht wie üblich auf dem Petersplatz mit Zehntausenden Pilgern, sondern allein in der Basilika die Ostermesse feiern und anschließend den Segen "Urbi et Orbi" (der Stadt und dem Erdkreis) erteilen.