Oswiecim (epd). Vier Überlebende haben am Montag bei der Gedenkfeier zur Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau an den Holocaust erinnert. Die 95-jährige Bat-Sheva Dagan nannte Auschwitz eine "teuflische Welt", in der die Menschenwürde nichts zählte. Dagan ist Jüdin, sie lebt heute in der Nähe von Tel Aviv. Die Sinteza Else Baker, die heute in Großbritannien lebt, dankte der polnischen Regierung für die Errichtung der Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Lager befreit.
Vor den Redebeiträgen der vier Überlebenden hatte der polnische Präsident Andrzej Duda als einziger Politiker zu den 2.000 Ehrengästen der Gedenkfeier gesprochen. Duda erinnerte an die 1,1 Millionen Menschen, hauptsächlich Juden, die in Auschwitz ermordet wurden. "Wir stehen vor den Toren dieses Lagers, das zum Symbol zur Massenvernichtung wurde", sagte er. Polen fühle sich weiterhin der Pflege der Erinnerung und dem Schutz der Wahrheit verpflichtet, versprach er den rund 200 anwesenden Überlebenden unter den Gästen.
Etwa 25 Staats- und Regierungschefs verfolgten die Schilderungen der Überlebenden, darunter auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Bat-Sheva Dagan beschrieb den Verlust ihrer Haare als eine der schlimmsten Erfahrungen. Für sie habe das den Verlust ihrer Weiblichkeit bedeutet. "Das Ziel war, mich eines menschlichen Antlitzes zu berauben", sagte sie.
Sie erinnerte vor den internationalen Gästen aus aller Welt an die Verantwortungslosigkeit der Weltgemeinschaft. "Wo wart ihr, wo war die Welt, die sah und hörte und nichts tat, um diese vielen Tausend zu retten?", fragte die 95-Jährige. Bewegt verlieh sie auch ihrer Sprachlosigkeit Ausdruck. "Was soll ich sagen? Denn nur mit Tränen kann ich diese Vergangenheit begießen", sagte sie.