Genf (epd). Die libysche Küstenwache vereitelt laut den Vereinten Nationen die meisten Fluchtversuche von Menschen aus dem Bürgerkriegsland nach Europa. Seit Beginn des Jahres habe die Wache mehr als 950 Flüchtlinge und Migranten auf dem Mittelmeer abgefangen und in die berüchtigten Lager nach Libyen gebracht, teilten die UN am Dienstag in Genf mit. Nach Angaben einer Sprecherin der Internationalen Organisation für Migration (IOM) waren darunter 136 Frauen und 85 Kinder. Insgesamt hätten in dem Zeitraum etwa 1.200 Menschen versucht, von Libyen aus über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Viele von ihnen versuchten, vor den eskalierenden Kämpfen zu fliehen.
Knapp 240 Flüchtlinge wurden Ende vergangener Woche von privaten Seenotrettern aufgenommen. Auch ihre Schlauchboote sind nach Angaben der Organisationen Sea-Watch und Proactiva Open Arms von Libyen aus gefahren. Die "Sea-Watch 3" und die "Open Arms" warten mit 119 beziehungsweise 118 Flüchtlingen an Bord auf die Erlaubnis, in einen Hafen einzulaufen. IOM-Sprecherin Safa Msehli sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), diese Menschen seien in den IOM-Zahlen jedoch nicht erfasst.
Msehli forderte, alle in den Lagern festgehaltenen Migranten und Flüchtlinge müssten freigelassen werden. Die Bedingungen in den Camps seien erbärmlich, und es herrsche Gewalt. UN und Menschenrechtler prangern seit Jahren an, dass die Flüchtlinge in den Lagern misshandelt, missbraucht und gefoltert werden und unter grauenhaften hygienischen Bedingungen leben. Die Küstenwache besteht zu weiten Teilen zudem aus Milizionären.
In Libyen kämpfen Einheiten der international anerkannten Übergangsregierung unter Fajis al-Sarradsch und Truppen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar um die Macht. Haftar eröffnete im April vergangenen Jahres eine Offensive auf Tripolis. Derzeit laufen internationale Bemühungen, um ein Waffenstillstandsabkommen zu erreichen. Seit dem Sturz des früheren Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in Libyen politisches Chaos.
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