Berlin (epd). Angesichts des hohen Bedarfs an Beschäftigten in der Sozialbranche plädiert Diakoniepräsident Ulrich Lilie für neue Wege der Qualifizierung. Es müsse alles dafür getan werden, mehr Menschen für soziale Berufe zu gewinnen, sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes der "Welt am Sonntag". Unter anderem schlug er vor, Arbeitnehmern den Berufswechsel zu erleichtern.
"Statt über das Pflichtjahr nach der Schule zu diskutieren, müssten wir darüber reden, wie wir die Menschen, die in vier oder fünf Jahren etwas anderes machen müssen, fortbilden und ihnen neue Wege eröffnen können", erklärte Lilie. "Auch mit 40 sollte man die Möglichkeit haben, sich umzuorientieren und ein soziales Jahr zu machen. Während einer solchen Phase kann man zum Beispiel in eine Qualifizierung einsteigen, um künftig in einem sozialen Beruf zu arbeiten."
Aufgrund der Digitalisierung würden in einigen Bereichen weniger Menschen gebraucht, erläuterte Lilie. Für die sozialen Berufe müsse man hingegen Menschen gewinnen, unter anderem für die Kinderbetreuung. "Wir müssen alles dafür tun, dass Kindertagesstätten nicht nur beitragsfrei sind, sondern dass sich vor allem die Qualität in den Kitas verbessert", sagte der Diakonie-Chef. "Das erfordert bessere Personalschlüssel - also kleine Gruppen mit gut qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern, weil die Gruppen auch heterogener werden."
Auch in der Pflege sieht Lilie die Notwendigkeit verstärkter Weiterbildung. "Die Gewinnung von Menschen aus dem Ausland ist nur einer von vielen Bausteinen", sagte Lilie. Denn in den osteuropäischen Ländern, aus denen viele zugewanderte Arbeitskräfte einreisen, komme es "teilweise zu Katastrophen". So kämen aus Polen "zahlreiche Frauen zum Teil undercover nach Deutschland und helfen, dass unsere Altenpflege überhaupt aufrechterhalten werden kann", erklärte der Diakonie-Präsident. "Deren Kinder bleiben zurück, wir reden inzwischen von Pflegewaisen." Diese Kinder warteten darauf, dass abends die Mutter über Skype ihre Hausaufgaben betreue.
"Über diese Schattenseiten der Freizügigkeit in Europa müssen wir dringend reden", betonte Lillie. Die nötige Konsequenz sei, dass verstärkt Menschen hierzulande qualifiziert und die Gesundheitsberufe attraktiver gemacht werden müssen.
epd fu