Kassel (epd). Rentenversicherungsträger müssen künftig bei Anträgen auf eine volle Erwerbsminderungsrente genauer hinschauen. Führen mehrere "gewöhnliche" Leistungseinschränkungen bei einem Versicherten dazu, dass er nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar ist, kann im Einzelfall ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente bestehen, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. (AZ: B 13 R 7/18 R)
Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt werden, wenn Betroffene aus gesundheitlichen Gründen nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten können. Eine teilweise Erwerbsminderungsrente kann gezahlt werden, wenn für weniger als sechs, aber für mehr als drei Stunden Arbeitsfähigkeit besteht. Dabei ist den Betroffenen auch "Einfacharbeit", also Arbeit mit leichten körperlichen Tätigkeiten zuzumuten.
Im konkreten Fall hatte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg den Kläger darauf verwiesen, dass er keine volle Erwerbsminderungsrente beanspruchen könne. Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Berliner noch bis zu sechs Stunden täglich leichte Arbeiten machen könne. Die Rentenversicherung verwies darauf, dass etwa eine Arbeit als Pförtner an einer Nebenpforte für ihn möglich sei. Der Kläger führte an, dass es da so gut wie keine Jobs gebe.
Das BSG verwies das Verfahren an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurück. Allerdings stellten die Kasseler Richter fest, dass es auf dem Arbeitsmarkt durchaus noch viele Jobs mit Einfacharbeiten gebe, auf die in ihrer Leistung eingeschränkte Versicherte zurückgreifen können.
Bestehen bei einem Versicherten allerdings eine Vielzahl an gewöhnlichen Leistungseinschränkungen, die sich gegenseitig verstärken, könne im Einzelfall die Einsetzbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen sein. In solch einem Fall könne ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente bestehen.