Berlin (epd). Viele Wohnungslose müssen zu lange in Notunterkünften bleiben. Jeder Dritte lebe dort länger als zwei Jahre, berichtete das Deutsche Institut für Menschenrechte am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des diesjährigen Menschenrechtsberichts für Deutschland. Besonders schwierig sei die Lage für Menschen, die aus der Psychiatrie, Suchtkliniken oder Jugendeinrichtungen entlassen werden sowie für Ältere. Einer der Gründe sei der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf, sprach von einer "sich verschärfenden Situation". Darauf müssten die staatlichen Stellen reagieren und handeln. Die Minimalstandards für Notunterkünfte seien nicht vereinbar mit dem Menschenrecht auf Wohnen.
Aus Erhebungen einzelner Bundesländer geht hervor, dass in den vergangenen Jahren bundesweit jeweils einige Zehntausend Menschen in Notunterkünften untergebracht waren. Die Zahlen steigen, in Berlin beispielsweise haben sie sich dem Bericht zufolge bereits zwischen 2014 und 2016 verdreifacht. Acht Bundesländer erfassen die Zahl und die Unterbringung der Obdachlosen bisher gar nicht. Eine bundesweite Statistik gibt es auch nicht, sie soll erst 2022 eingeführt werden.
Das Menschenrechtsinstitut forderte, die Aufenthaltsdauer in den Unterkünften müsse wieder verkürzt werden. Zumindest aber müssten sich vielerorts die Bedingungen verbessern. Die Einrichtungen seien für einen längeren Aufenthalt der Menschen nicht ausgelegt.
Vor allem aber müsse mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen und sichergestellt werden, dass auch Wohnungslose eine Chance auf eine Wohnung hätten. Es gebe in vielen Kommunen durchaus ein Problembewusstsein für die Lage der Wohnungslosen, aber es müsse mehr geschehen, um ihnen zu helfen. Sozialarbeiter, die teilweise für bis zu 100 Menschen zuständig seien, könnten die Betroffenen nicht angemessen begleiten.
Die genaue Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland ist unbekannt. Zwei aktuelle Schätzungen bezogen auf das Jahr 2018 gehen von bis zu 340.000 oder bis zu 540.000 Wohnungslosen aus. Als wohnungslos gelten nicht nur Menschen, die auf der Straße leben, sondern alle, die über keinen eigenen Wohnraum verfügen. Dazu zählen Personen, die bei Freunden unterkommen, in einem Wohnwagen leben, in Notunterkünften, Übergangswohnheimen oder auch in Flüchtlingsunterkünften, obwohl sie eigentlich in eine eigene Wohnung ziehen dürfen.
Das Menschenrechtsinstitut legt dem Bundestag jedes Jahr einen Bericht zur Menschenrechtssituation in Deutschland vor. Ein Schwerpunkt ist dieses Jahr die Situation der Wohnungslosen. Im vergangenen Jahr standen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse im Fokus. Der aktuelle Bericht über den Zeitraum von Juli 2018 bis Juni 2019 beschäftigt sich auch mit der Arbeit von Beschwerdestellen für Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland. Sie seien zu wenig bekannt und könnten ihre Aufgabe, die Betroffenen bei der Durchsetzung von Ansprüchen zu unterstützen, nur unzureichend erfüllen, hieß es.