Wiesbaden (epd). Das Bundeskriminalamt (BKA) und die anderen Sicherheitsbehörden in Deutschland wollen den Kampf gegen Hass und Gewalt von rechts deutlich verstärken. Das kündigten am Mittwoch in Wiesbaden BKA-Präsident Holger Münch und der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Engelke (CDU), an. Sie verwiesen auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Mordanschläge vor der Synagoge in Halle und äußerten sich besorgt über zunehmende Gefahren für die Demokratie.
Als Gegenmaßnahmen kündigten sie vor allem eine deutliche Aufstockung des Personals in den betreffenden Abteilungen von Polizei und Kriminalämtern an. Vor allem Münch plädierte auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts aber auch für einen "ganzheitlichen Ansatz" zur Bekämpfung dieser Phänomene, zu dem eine entschlossene Gegenwehr aus der Gesellschaft ebenso gehören müsse wie Änderungen des geltenden Rechts.
Der BKA-Präsident sagte, in seiner Behörde seien derzeit bundesweit 46 Gefährder und 126 weitere auffällig gewordene Personen aus dem rechtsextremen Spektrum registriert. Angesichts eines vom Verfassungsschutz geschätzten Potenzials von 12.000 Männern und Frauen aus diesem Bereich müsse man sich aber fragen, wie realistisch diese Zahlen noch seien.
Wie nicht zuletzt die Taten in Nordhessen und Halle gezeigt hätten, gebe es gerade in der gewaltbereiten Szene von rechtsaußen kaum festgefügte Strukturen, sondern Täter, die jahrelang nicht mehr aufgefallen oder bislang überhaupt nicht auf dem Radar der Sicherheitsbehörden gewesen seien, sagte Münch. Daher müssten beispielsweise auch Straftaten aus anderen Bereichen stärker in den Fokus genommen und auf mögliche Verbindungen in die rechtsextreme Szene geprüft werden. So werde auch im Mordfall Lübcke inzwischen eine große Zahl weiterer Personen überprüft.
Das BKA baue deshalb drei neue Referate auf, allein in der personenbezogenen Überprüfung sollten 150 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Münch erklärte, mit dem geplanten "Radar rechts" solle ähnlich wie bereits im Bereich des islamistischen Terrorismus gearbeitet und ein Netzwerk mit Bundesländern, Polizei und Justiz geschaffen werden. Hinzu komme eine neue Zentralstelle für ein stärkeres Monitoring von Hass und Hetze in Internet und sozialen Medien mit mehr als 200 Fachleuten. Sie solle in Zusammenarbeit mit den Providern und Staatsanwaltschaften auch die Strafverfolgung intensivieren und so den Druck auf die Szene erhöhen.
Staatssekretär Engelke, der für den wegen der Bundestagsdebatte am selben Tag verhinderten Innenminister Horst Seehofer (CSU) einsprang, begrüßte die Einigung mit dem Bundesjustizministerium, wonach den Providern eine Auswertungspflicht von Hass und Gewalt in Internet und sozialen Netzwerken auferlegt werde. Sie müssten dann entsprechende Äußerungen mit der zugehörigen IP-Adresse den Strafverfolgungsbehörden melden.
Man müsse den Hetzern den digitalen Resonanzboden entziehen, sagte der BKA-Präsident. Es dürfe nicht länger ein Klima der Angst herrschen, dass Menschen vor allem auf kommunaler Ebene zum Rückzug bewege oder von demokratischem Engagement abhalte. Die Aufgabe der geplanten Zentralstelle erklärte Münch damit, man müsse "digital mehr auf Streife gehen". Schon jetzt zeigten 14.000 Beschwerden über Hass-Postings bei Facebook und sogar 470.000 bei YouTube, dass Polizei und Sicherheitsbehörden eine äußerst ressourcenintensive Aufgabe bevorstehe.