Berlin (epd). Erneut ist einem Verein aus politischen Gründen die Gemeinnützigkeit aberkannt worden, wie am Freitag in Berlin bekanntwurde. Das sorgt bei anderen Verbänden für Kritik. Nach einem Bericht des "Spiegels" sollen sich Vereine künftig nur noch politisch äußern dürfen, wenn es ihrem Vereinszweck dient. Das gehe aus einem Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hervor, berichtet das Nachrichtenmagazin.
Die Gemeinnützigkeit als Verein wurde der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) aberkannt. Mit dem Bescheid des Berliner Finanzamts für Körperschaften von Anfang November seien Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe verbunden, die noch in diesem Jahr fällig würden, teilten die Bundesvorsitzenden Cornelia Kerth und Axel Holz mit. Damit sei die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht, hieß es.
Das Berliner Finanzamt handle anders als das Finanzamt Oberhausen-Süd, das der VVN Nordrhein-Westfalen die Gemeinnützigkeit gewährt habe, obwohl in beiden Fällen derselbe Vorwurf erhoben worden sei. Danach wird die VVN-Landesvereinigung Bayern im dortigen Verfassungsschutzbericht als linksextremistisch beeinflusst dargestellt. Während das Finanzamt in Oberhausen der Widerrede dagegen gefolgt sei, beharre das Berliner Finanzamt darauf, dass ein voller Beweis des Gegenteils nicht erbracht worden sei. Die VVN-BdA wurde 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse gegründet und ist nach eigenen Angaben die größte Organisation von Antifaschisten in Deutschland.
Der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, Michael Müller, verurteilte den Beschluss der Berliner Finanzbehörden als "ein weiteres Alarmsignal für die demokratische Zivilgesellschaft". Die VVN-BdA sorge dafür, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit gerieten, erklärte Müller und forderte Bundestag und Bundesregierung auf, das Gemeinnützigkeitsrecht schnell neu zu ordnen. Die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA sowie von Attac und Campact müsse wieder anerkannt werden, verlangte Müller. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die selbst Mitglied der VVN-BdA ist, sagte, es gebe kaum etwas Gemeinnützigeres als Antifaschismus.
Nach einem Bericht des "Spiegel" plant Finanzminister Scholz jedoch eher Einschränkungen für politische Aktivitäten von Vereinen. Er wolle ihnen Steuervergünstigungen streichen, wenn sie sich allzu sehr in die Tagespolitik einmischen. Dazu sehe Scholz im Rahmen der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts eine Ergänzung der Abgabenordnung vor, wonach Vereine zwar weiter steuerlich begünstigt werden sollen, wenn sie sich im Rahmen ihres Vereinszwecks politisch äußern - nicht aber, wenn sie sich in die politische Willensbildung einmischen. Der Grünenpolitiker und ehemalige Finanzchef von Attac, Sven Giegold, kritisierte die geplante Änderung. "Ein Karnevalsverein, der sich gegen einen Naziaufmarsch engagiert, würde demnach absurderweise seine Steuerbegünstigung aufs Spiel setzen", sagte er dem "Spiegel".
Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Olaf Bandt, erklärte in Berlin, Scholz versuche mit seinem Gesetzentwurf die Rechte der Zivilgesellschaft zu beerdigen. Dass sich Vereine künftig entscheiden sollten, ob sie gemeinnützig oder politisch sein wollten, sei "hochproblematisch", erklärte Bandt.
Das Berliner Finanzamt hatte bereits im Oktober der Kampagnenplattform Campact den Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Die Entscheidungen fußen auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs gegen das globalisierungskritische Netzwerk Attac vom Februar.
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