Hartz-IV-Urteil: Erwerbslosenvereine fordern ein Ende der Sanktionen

Hartz-IV-Urteil: Erwerbslosenvereine fordern ein Ende der Sanktionen

Bonn/Wuppertal (epd). Erwerbslosen-Organisationen in Deutschland sehen beim Thema Hartz-IV-Sanktionen auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiteren Handlungsbedarf. "Das Urteil hätte weiter gehen müssen", sagte Harald Thomé vom Erwerbslosen-Verein Tacheles in Wuppertal am Mittwoch im WDR-"Morgenecho". Das Gericht in Karlsruhe hatte am Dienstag die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger teilweise gekippt. Die Jobcenter dürfen das Arbeitslosengeld II ab sofort um nicht mehr als 30 Prozent kürzen. Das Erwerbslosenforum Deutschland (Bonn) erklärte, Sanktionen seien den Erfahrungen nach grundsätzlich unwirksam.

Beide Organisationen forderten das Arbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit auf, die Entscheidung des Gerichts auch für Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahren anzuwenden. In dieser Altersgruppe müssen Betroffene nach geltender Rechtslage mit besonders harten Sanktionen rechnen. In der aktuellen Entscheidung ging es allerdings um einen älteren Menschen.

Statt Sanktionen brauche es mehr positive Motivation, forderte Thomé: "Bisher ist es so, dass die Leistungsbeziehenden ihren Sachbearbeitern gegenüberstehen und sie wissen einfach, dieser Mensch kann sie ins Elend treten." Das schaffe keine Basis für eine Zusammenarbeit. Wenn die Leistungsbeziehenden stattdessen die Hand gereicht bekämen und nach individuellen Bedürfnissen und sinnvollen Unterstützunsgmöglichkeiten gefragt würden, "dann sähe die Welt ganz anders aus", sagte der Experte für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht.

Das Erwerbslosenforum Deutschland kritisierte zudem eine "völlig fehlende Qualifikation" vieler Jobcenter-Mitarbeiter. Eine gute Beratung setze "intensive pädagogische und psychologische Kenntnisse voraus", kritisierte Sprecher Martin Behrsing.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Dienstag die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger teilweise gekippt. Leistungskürzungen von 60 oder 100 Prozent seien unverhältnismäßig und verletzten das vom Staat zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum, entschied das höchste deutsche Gericht in einem Grundsatzurteil. (AZ: 1 BvL 7/16)