Genf, Jaunde (epd). Kameruns Oppositionsführer Maurice Kamto hat nach seiner Freilassung angekündigt, seinen politischen Feldzug gegen die Regierung von Präsident Paul Biya fortzusetzen. Wer glaube, dass seine Freilassung den Ende des Kampfes bedeute, habe nichts verstanden, rief Kamto jubelnden Anhängern am Sonntag vor seiner Residenz in der Hauptstadt Jaunde zu.
Biya hatte am Vortag den Prozess gegen Kamto und gut 90 seiner Unterstützer eingestellt, die sich seit Protesten der Opposition im Januar in Haft befanden. Kamtos Anhänger feierten das Ende des Prozesses vor einem Militärtribunal als Sieg des kamerunischen Volkes. Bereits am Donnerstag hatte der seit 1986 regierende Biya 333 politische Gefangene begnadigt, die im Zuge der Krise im englischsprachigen Teil des Landes festgenommen worden waren.
Menschenrechtler begrüßten beide Schritte, forderten die Regierung aber auf, alle politischen Gefangenen freizulassen. So säßen weiterhin viele in Haft, die nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest Gebrauch gemacht hätten, erklärte die für Zentralafrika zuständige Direktorin von Amnesty International, Samira Daoud. Die langjährige Unterdrückung kritischer Stimmen in Kamerun müsse ein Ende haben.
Seit 2016 wird das zentralafrikanische Land von Unruhen erschüttert. Polizei, Militär und bewaffnete Gruppen werden massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Kamto gilt als Biyas stärkster politischer Gegner. Die Opposition warf Biya vor, das Ergebnis der Präsidentenwahl 2018 gefälscht zu haben.
Ein Anwalt von Oppositionsführer Kamto sprach von einer verspäteten Entscheidung der Regierung, die Anklage gegen den Oppositionsführer aufzuheben. Neun Monate in Haft seien neun Monate zuviel, sagte Sylvain Souop dem französischen Auslandssender RFI. Besonders bedauerlich sei, dass Kamto nicht am nationalen Dialog habe teilnehmen können, der auf Einladung der Regierung vergangene Woche über ein Ende der Krise im anglophonen Kamerun beraten hatte.
Die Konferenz, an der keine Vertreter der Opposition teilnahmen, hatte sich für eine stärkere Dezentralisierung und ein Sonderstatut für die englischsprachigen Provinzen ausgesprochen. Zehn bis 15 Prozent der Staatseinnahmen sollen künftig in die Regionen fließen. Die Teilnehmer des Dialogs sprachen sich zudem für den verstärkten Gebrauch von Englisch in der Verwaltung, die Bildung einer sogenannten "Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Versöhnungskommission" sowie die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für im Ausland lebende Kameruner aus.
Die Regierung Biya hofft, mit dem Dialog die seit drei Jahren anhaltenden Unruhen unter der englischsprachigen Minderheit im Land zu beenden. Diese hatten 2016 mit Lehrerprotesten begonnen und sich schnell ausgeweitet. Die UN sprechen von mindestens 1.850 Toten und mehr als einer halben Million Flüchtlinge.
Separatisten, die einen eigenständigen Staat Ambazonien in der Region fordern, sind von der Begnadigung Biyas bisher ausdrücklich ausgenommen. Kameruns Kommunikationsminister René-Emmanuel Sadi schloss auf RFI aber am Sonntag erstmals nicht mehr aus, dass auch Anführer der Separatisten freigelassen werden könnten. Nichts sei unmöglich, sagte Sadi wörtlich.
Die einstige deutsche Kolonie Kamerun liegt in Zentralafrika und war nach dem Ersten Weltkrieg zwischen Großbritannien und Frankreich aufgeteilt worden. Im Zuge der Unabhängigkeit von Großbritannien hatten die Bewohner der heutigen Provinzen Südwest und Nordwest sich 1961 entschieden, sich Kamerun anstatt Nigeria anzuschließen. Der 86-jährige Biya regiert die ölreiche Nation autokratisch.