Berlin (epd). Ein sogenanntes Kinderkopftuchverbot in Deutschland wäre einem Rechtsgutachten zufolge verfassungskonform. Ein Verbot würde zwar einen Eingriff in das Elternrecht bewirken, sich aber als eine verhältnismäßige Beschränkung darstellen, sagte der Autor und Tübinger Verfassungsrechtler Martin Nettesheim bei der Vorstellung am Donnerstag in Berlin. Auch einen Eingriff in die Religionsfreiheit sieht Nettesheim nicht, der das Gutachten im Auftrag der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes verfasste.
Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass das Tragen religiös oder weltanschaulich konnotierter Bekleidung durch ein Kind unter 14 Jahren eine grundgesetzlich geschützte Handlung wäre, sei ein Verbot des Kinderkopftuchs nach Artikel 7 Grundgesetz zu rechtfertigen, sagte Nettesheim. Gesetzgeberische Erziehungsziele ließen es zu, in der Schule äußere Manifestationen mit religiöser Konnotation durch noch nicht glaubensreife Kinder zu unterbinden. Die sogenannte Religionsmündigkeit gilt in Deutschland ab 14 Jahren.
Bei einer Umfrage unter 252 Lehrern und Erziehern bundesweit sprachen sich laut Terre des Femmes 75 Prozent für ein Kinderkopftuchverbot in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen aus. 83 Prozent sehen nach eigenen Angaben eine Beeinträchtigung der persönlichen Entwicklung der jungen Mädchen, 56 Prozent erklärten, ein Verbot würde ihre Arbeit erleichtern. Aus ihrem Berufsalltag berichteten die Pädagogen, dass in 58 Prozent der Fälle kopftuchtragende Mädchen in ihren Klassen nicht am Sport- und Schwimmunterricht sowie an Schulausflügen und Klassenfahrten teilnehmen. In 25 Prozent der Fälle seien sie Opfer von Mobbing.
Unter dem Titel "Den Kopf frei haben!" hat Terre des Femmes im Mai 2018 eine Petition für eine gesetzliches Verbot des Kinderkopftuches im öffentlichen Bildungseinrichtungen gestartet, die bislang von rund 35.000 Menschen unterzeichnet wurde. Das Kinderkopftuch stehe für eine Diskriminierung und Sexualisierung von Minderjährigen, heißt es zur Begründung. Eine von islamischen Verbänden und Gruppen gestartete Gegenpetition hat mehr als 173.000 Unterstützer.