Anneke Ihlenfeldt lässt ihre Blicke durch den Raum der Michaelis-Kirche schweifen. Die Pastorin der evangelisch-lutherischen Michaelis- und Paulus-Gemeinde in Bremerhaven macht einen zufriedenen Eindruck. "Es geht voran", sagt sie mit Blick auf die Wand, "die Leitungen sind umgelegt worden." Auch die frühere Durchreiche in der Wand ist verschwunden – zugemauert. Ansonsten ist nur das blanke Mauerwerk zu sehen.
Mehr nach Kirche sieht es gegenüber der blanken Wand aus. Dort erhebt sich ein großer hölzerner Kubus. Er teilt den Altarraum ab. Dahinter: Ein Altar mit dem unter Denkmalschutz stehenden Fenster, das der Glaskünstler Johannes Schreiter gestaltete. Auch der Taufstein ist noch da. Zumindest die metallene Taufschüssel werde wohl aus dem Taufstein entfernt, schätzt Ihlenfeldt. Sie passe nicht zur neuen Verwendung.
Hier, mitten im Stadtteil Lehe mit allerhand sozialen Problemen, wagt die Gemeinde etwas für Bremerhaven völlig Neues: Für eine knappe halbe Million Euro entsteht in der Michaelis-Kirche ein Kolumbarium. Wo einst Menschen Gottesdienst feierten, entstehen 560 Urnenkammern. Zwei Drittel davon werden Doppel-, ein Drittel Einzelkammern. Parallel dazu lässt die Gemeinde die Gemeinderäume umbauen. Eine energetische Sanierung sowie eine anfangs nicht eingeplante Dachsanierung gehören ebenso zum Mammutprogramm, dessen Betreuung Ihlenfeldt geerbt hat. Sie ist erst seit einem knappen halben Jahr als Pastorin in die Michaelis-Paulus-Gemeinde gekommen.
Beeindruckt ist Ihlenfeldt noch immer von dem Projekt, dessen Ursprung bis ins Jahr 2013 zurückreicht. Hintergrund: Wie fast überall, so mussten sich auch die Bremerhavener überlegen, was sie mit ihrem sanierungsbedürftigen Gotteshaus anstellen möchten. Die Gemeinde, die zum Kirchenkreis Bremerhaven und damit zur Hannoverschen Landeskirche gehört, habe zwei Alternativen gehabt, gibt Ihlenfeldt die Geschichte wider: Abriss oder aufwändige Sanierung mit neuer Bestimmung. "Das Projekt ist aus der Not heraus geboren", resümiert sie.
Die Entwürfe für das Kolumbarium stammen von der Architektin Silke Grube. Die dreidimensionalen Bilder vermitteln einen Eindruck davon, wie es in einigen Monaten in der Michaelis-Kirche aussehen könnte: Auf einer Fläche von 163 Quadratmetern gibt es in helles Ahornholz gefasst Kammern. In die Schreine können die Urnen von oben eingelassen werden. Die Namen der Verstorbenen sind auf hochwertigen Metallplatten zu lesen. Auch integrierte Vasen für Blumen sieht der Entwurf vor. Zudem gibt es Sitzelemente zum Verharren und Beten.
Der Kubus mit dem Altar bleibt erhalten. Er soll in das Kolumbarium integriert werden. Einerseits, so Ihlenfeldt, diene der Kubus als einer von mehreren Fixpunkten einer Sichtachse, die dem Raum die Schwere nehmen soll. Andererseits ist vorgesehen, den Altarraum auch für Trauerfeiern oder -andachten zu nutzen. Denn: Mit nur wenigen Handgriffen lässt sich der Kubus zum werdenden Kolumbarium hin öffnen. "Da entsteht ein ganz besonderer Raum", findet die Pastorin, und demonstriert, wie es geht: Zwei Hebel nach oben schieben und die beiden Flügel einfach wie ein Tor zur Seite schieben.
Dass Ihlenfeldt das Bremerhavener Projekt betreuen darf, ist für sie nicht nur wegen des Umbaus etwas Besonderes. Für die Geistliche steht auch die Frage dahinter: "Wo bleiben wir eigentlich mit unseren Toten?" Doch die Bestattungsform sei es nicht allein. Vielmehr müssten sich die Menschen beziehungsweise Angehörigen bewusst werden, dass neben der Trauer auch die Liebe und die Wut über den Tod dazu gehörten. "Man kann insbesondere die Trauer nicht wegdrücken", findet Ihlenfeldt.
Mit dem Kolumbarium sei der Tod "mittendrin", meint Ihlenfeldt. Denn: Nebenan gibt es nach dem Umbau neue Gemeinderäume, in denen sich die Mitglieder des Seniorenkreises und der Chor der Gemeinde treffen. Doch bis es soweit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Die Gemeinderäume sind nach Einschätzung der Pastorin Ende des Jahres fertig. Für das Kolumbarium kann sie noch keinen Zeitpunkt nennen.